Mülheim. .
Der Tod ist ein trauriges Thema und besonders bitter, wenn er Menschen trifft, die ihr ganzes Leben noch vor sich hätten. Während die meisten Kinder-Stücke, die Montag beginnen, schon ausgebucht sind, ist die Resonanz gering auf zwei Inszenierungen, in denen es um den Tod geht. Wenn Kinder sterben – in dieser schweren Lage steht das Essener Kinderpalliativnetzwerk Familien zur Seite. Ein Gespräch mit Wilma Neuwirth, die den ambulanten Kinderhospizdienst koordiniert.
In einem Stück stirbt der kleine Bruder an Leukämie, im anderen die Mutter nach einem Unfall. Warum wird das Thema so gemieden?
Neuwirth: Dieses Thema wird eher aus Erwachsenensicht gemieden, weil Kinder anders mit Tod und Sterben umgehen. Die haben gar nicht so viel Ängste davor. Aber wenn es um Kinder und Kindertrauer geht, sind Erwachsene überfordert.
Aber in den Schulen sind die Lehrer doch auch immer wieder damit konfrontiert, wenn Angehörige von Schülern sterben. Wie bereiten sich die Lehrer darauf vor?
Wir haben immer wieder Anfragen von Kindergärten und Schulen. Wir bieten Fortbildungen und einen Austausch zum Thema an oder kommen zu Elternabenden.
Ist der Tod noch immer ein großes Tabu-Thema?
Ich glaube, dass die Erwachsenen-Hospiz-Arbeit vorgelegt hat, so dass das Thema Tod, Sterben und Sterbe-Begleitung in kleinen Schritten den Weg in unsere Gesellschaft findet.
Haben Erwachsene mehr Angst vorm Sterben als Kinder?
Ich glaube schon. Bei Kindern, je nach Alter, ist der Tod als Begriff von Endlichkeit noch nicht da. Später kommt eine Phase der Neugier. Erst in der Pubertät, wenn sie beginnen, wie Erwachsene zu denken, ändert sich das. Viele Ängste haben damit zu tun, dass wir nicht wissen, was danach kommt, und wir wissen, was uns verloren geht.
Welche Hilfen kann das Palliativnetzwerk anbieten?
Uns geht es darum, dass die Kinder zu Hause leben und zu Hause sterben. Wir begleiten Kinder, die lebensverkürzend und lebensbedrohlich erkrankt sind. Das heißt, manchmal begleiten wir Kinder sogar über mehrere Jahre. Es gibt Erkrankungen, wo man weiß, dass die Kinder frühzeitig sterben werden. Und dann gibt es beispielsweise Krebserkrankungen, da haben die Kinder nicht mehr viel Zeit.
Wie funktioniert das praktisch?
Wir begleiten die Familien mit vielen unterschiedlichen Angeboten. Sie können den ambulanten Kinderhospizdienst in Anspruch nehmen, das sind ehrenamtliche Mitarbeiter, die nach Hause kommen. Sie beschäftigen sich mit dem Kind, aber auch mit den Geschwistern. Wir haben eine psychosoziale Beratung für die Eltern. Es geht auch um sozialarbeiterische Fragen, wie die finanzielle Lage ist, welche Hilfsmittel gebraucht werden, wie und wo man etwas beantragt. Und wir haben jetzt auch noch ein spezialisiertes ambulantes pädiatrisches Palliativ-Team. Das heißt, 24 Stunden haben wir die Möglichkeit, medizinisch-pflegerisch vor Ort zu sein. Da ist immer eine Krankenschwester dabei. Für Kinder, die in der letzten Lebensphase sind, die normalerweise im Krankenhaus sterben würden, wo man aber viele Dinge noch zu Hause machen kann. Und bei Kindern, wo neben der lebensverkürzenden Erkrankung noch andere Komplikationen dazukommen.
Was ist mit den Angehörigen, die ja auch leiden?
Das ist unser psychosoziales Angebot. Ein Angebot, das leider nicht großartig refinanziert wird in Deutschland. Das war uns aber von Anfang an ein großes Anliegen. Denn es ist ganz wichtig, die gesamte Familie im Blick zu haben. Es ist ja auch Lebensbegleitung. Die Lebensqualität von allen muss steigen. Es nutzt ja gar nichts, wenn das Kind versorgt wird. Es muss den Eltern damit gut gehen, es müssen Entscheidungen getroffen werden. Es kommen ja viele andere Sorgen dazu. Nicht wenige scheitern daran finanziell. Wir helfen dabei, wenn die Familie das möchte. Die medizinische Versorgung, die seelische Versorgung, psychosoziale Beratung – es ist der palliative Gedanke, der alles einschließt.
In Hospizen für Erwachsene wird manchmal auch gelacht. Die Familien denken nicht dauernd daran, wir sprechen nicht permanent darüber. Der Tag, der heute ist, der soll gut gelebt werden.