Mülheim.

Der Handlungsbedarf in Sachen Inklusion ist enorm: In Deutschland lernen ca. 17% aller Schüler gemeinsam mit behinderten Kindern, in den meisten europäischen Ländern sind es schon 85 bis 90%.

Daher will die rot-grüne Landesregierung, wenn sie denn wiedergewählt wird, einen Rechtsanspruch für die Eltern behinderter Kinder auf gemeinsames Lernen schaffen. Das kündigte Schulministerin Löhrmann bei einer Podiumsdiskussion im Medienhaus an.

„Wir haben den Auftrag der UN-Behindertenrechtskommission, eine inklusive Gesellschaft mit einer inklusiven Schule zu schaffen“, stellte sie fest. „2007 ist die Bundesrepublik dieser Konvention beigetreten.“ Die Einführung werde ein stufenweiser Prozess sein: „Die Kommunen sollen, je nach Elternbedarf, selbst entscheiden. Jede Kommune soll zunächst ein oder mehrere Vorreiterschulen bilden.“

Letztlich würden Eltern entscheiden

Gerade die Eltern von Kindern, die eine Lern- oder Sprachbehinderung und/oder Probleme bei der emotional-sozialen Entwicklung haben, wünschten sich, dass ihre Kinder eine allgemeine Schule besuchen. „Bei Kindern mit motorisch-geistiger Behinderung und/oder Sinnesschädigung wird es sowohl dauerhaft weiter Förderschulen geben, aber auch gemeinsamen Unterricht an allgemein bildenden Schulen.“

Eine rot-grüne Landesregierung wolle „nicht die Förderschulen von heute auf morgen abschaffen.“ Stattdessen solle es „ein Wahlrecht der Eltern geben, auch bei der Empfehlung für weiterführende Schulen“. Letztlich würden Eltern über das Angebot entscheiden, versprach Sylvia Löhrmann.

Mehr Geld für Personal

Der Auftrag der Inklusion richte sich an alle Schulformen. An allgemeinen Schulen sollen für die Betreuung und Integration behinderter Kinder multi-professionelle Teams aus Lehrern und Sonderpädagogen gebildet werden, kündigte Löhrmann an. „Dafür werden wir viele zusätzliche Ressourcen brauchen. Es wird mehr Geld für Personal geben, aber auch für die Fortbildung und Qualifizierung der Lehrer. Wir müssen prüfen, wie die Kommunen entlastet und entschädigt werden, weil sie durch die Inklusion finanzielle Zusatzbelastungen haben werden.“

Peter Kalde, Leiter der Rembergschule, sagte: „Ich bin ganz, ganz vorbehaltlos für einen energischen Ausbau des gemeinsamen Unterrichts. Aber es sollten jetzt nicht alle Förderschulen geschlossen werden. In Italien hat das nicht funktioniert.“ Er verlangte ein klares Konzept.

Mutter forderte Ausbau des inklusiven Unterrichts

Die Mutter Claudia Lübcke forderte den Ausbau des inklusiven Unterrichts, gleichzeitig wies sie auf die leidvollen Erfahrungen von Eltern mit behinderten Kindern hin: „Ich bin Mutter von Drillingen. Zwei meiner drei Söhne hatten sonderpädagogischen Bedarf, der inzwischen aber abgebaut wurde. Beide Jungen wurden stigmatisiert. Ich musste Klinken putzen, um einen Platz in einer regulären, weiterführenden Schule für meinen schwerstbehinderten Sohn Vincent zu bekommen.“

Die heterogene Lerngruppe sei das Entscheidende, so Claudia Lübcke: „Jedes Kind möchte eine bestimmte Leistung bringen, auch ein schwer behindertes. Seine Familie möchte nicht in einem Getto leben, sondern eingebunden sein in der Gemeinschaft.“ Die Mülheimerin forderte: „Förderschulen sollten zu Kompetenzzentren ausgebaut werden, zu Begegnungsstätten, in denen sich die Lehrer fortbilden können und Therapiemöglichkeiten angeboten werden.“