Mülheim. .

Sie ist etwas besser dran als jene 91-jährige Mülheimerin aus der Altstadt, die ihr Vermögen über die Commerzbank in geschlossene Schiffs- und Immobilienfonds angelegt hatte und noch bis 2026 zur Auszahlung warten muss. 105 Jahre wäre sie dann. Die 84-jährige Mülheimerin, die am Rande der Innenstadt lebt, muss „nur“ bis 2022 warten, ehe sie an ihr Vermögen kommt, das die Commerzbank als gute Anlage in New Yorker Immobilien eingebracht hat. Auch hier sind die alte Dame und ihr enger Freundeskreis schockiert.

Wieder geht es um die Frage: Warum raten Banken Senioren zu derartig risikobehafteten Anlagen, bei deren Auszahlung sie in einem sehr betagten Alter sind? Ist das, wie es in der Werbebroschüre heißt, die „sichere Form zur persönlichen Altersvorsorge“? Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seien die Finanzprodukte aus Sicht der Bank stets eine vielversprechende Anlage, betont Thomas Schwarz, Sprecher der Commerzbank für Mülheim und Essen. Die Berater nähmen sich alle Zeit, die zur Erklärung notwendig sei. Es gehe ausschließlich um die Interessen der Kunden.

Commerzbank muss und will Geld verdienen

Es geht aber auch um Provisionen. Zwar erhält der einzelne Bankberater für den erfolgreichen Abschluss nach Auskunft der Commerzbank, keinerlei Bonus – die Bank schon: neun Prozent des anzuwerbenden Eigenkapitals. Auch das hatte die 84-Jährige nicht durchschaut, wandte sich an den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und erhielt vom dortigen Qualitätsmanager die Antwort: Von Anfang an sei erkennbar gewesen, „dass die Commerzbank für die Vermittlung dieser Beteiligungen einen Ertrag in der genannten Höhe erzielen würde und insofern an dem Absatz dieser Fonds ein finanzielles Eigeninteresse hatte. Wir sind nun mal“, sagt Schwarz, „ein Unternehmen, das Geld verdienen muss und will.“

Dennoch hat die Commerzbank erkannt, dass sie das Aufklärungsmanagement verbessern muss. Eine entsprechende Qualitäts-Offensive dazu, so Schwarz, werde es geben. Es sind nicht wenige, egal ob jung oder alt, die wie die 84-Jährige ratlos vor Aussagen wie dieser stehen: „Für Anteile an geschlossenen Immobilienfonds besteht kein organisierter Zweitmarkt, so dass die Fungibilität der Anteile eingeschränkt ist.“

Verträge genau unter die Lupe nehmen

Nicht nur das macht die Seniorin ratlos: Auch jene auf fast 20 Seiten ausgebreiteten Risiken und Chancen. Und findet der alte Mensch mittendrin den entscheidenden Satz, dass ein „Totalverlust der von Ihnen übernommenen Einlage“ nicht ausgeschlossen werden könne?, fragt der Bekanntenkreis der Dame und nennt den Vorgang unfassbar.

Bei jeder Unklarheit und jedem Zweifel sollte eine weitere Beratung eingeholt werden, rät die Leiterin der Verbraucherzentrale, Christiane Lersch. Friedhelm Forst von der Mülheimer Senioren-Union glaubt, dass Banken sogar darauf setzen, „dass sie nicht richtig verstanden werden“. Er ist überzeugt, dass viele ältere Menschen eben nicht verstünden und wüssten, was sie unterschrieben und die zeitliche Tragweite solcher Abschlüsse nicht immer überblickten. Die Senioren-Union gehört in Mülheim zu den Einrichtungen, die sich regelmäßig mit Problemen, Fragen und Sorgen der älteren Menschen befassen. Forst will mit dem Vorstand darüber befinden, ob man sich diesem Thema verstärkt annehmen sollte.

Im Fall der 91-Jährigen aus der Altstadt hat sich die Commerzbank der Sache, wie sie sagt, intensiv angenommen. Es heißt: „Wir sind auf einem guten Weg zur Klärung.“