Essen/Berlin. . Geht es nach den jungen CDU-Abgeordneten, dann müssten Kinderlose ab 25 Jahren bereits 2013 einen Teil ihres Gehalts abgeben, um eine solidarische Demografie-Rücklage zu schaffen. Im Gespräch ist ein Prozent des Einkommens. Wer ein Kind hat, soll nur die Hälfte bezahlen. Ab dem zweiten Kind wäre man von der Abgabe befreit.
Es sind nachrichtenarme Zeiten in Berlin, und so kommt die plakative Forderung der jungen CDU-Parlamentarier nach einer „Zwangsabgabe für Kinderlose“ zur Rettung der Sozialkassen gerade recht. Schnell und unkompliziert nutzen Vertreter der Koalition wie Opposition die Gelegenheit, sich positionieren zu können. Sogar die Kanzlerin meldet sich zu Wort, und auch bei den Verbänden schlägt der Vorstoß hohe Wellen.
Geht es nach den jungen CDU-Abgeordneten, dann müssten Kinderlose ab 25 Jahren bereits 2013 einen Teil ihres Gehalts abgeben, um eine solidarische Demografie-Rücklage zu schaffen. Im Gespräch ist ein Prozent des Einkommens. Wer ein Kind hat, soll nur die Hälfte bezahlen. Ab dem zweiten Kind wäre man von der Abgabe befreit.
Hinter dem Vorstoß steckt die Grundsorge, dass die sozialen Sicherungssysteme zunehmend schlechter funktionieren, wenn es immer weniger junge Beitragszahler gibt. Mit der Abgabe sollen die Kinderlosen nun dazu beitragen, den Kostenanstieg bei den Sozialversicherungen zu bremsen. Denn sie profitieren aus Sicht der Jungparlamentarier erheblich davon, wenn andere Erwachsene viele Kinder bekommen, die später in die Kassen einzahlen.
Das Papier ist ein Beitrag zur Demografiestrategie, die das Innenministerium gerade erarbeitet. Dabei geht es um die Herausforderungen für die alternde Gesellschaft und den Generationenvertrag. Die Vorschläge würden nun „unvoreingenommen“ geprüft, signalisierte Generalsekretär Hermann Gröhe (CDU) zaghaftes Wohlwollen. Zugleich stellte er klar, dass sich die Parteispitze nicht den Plan der Jungparlamentarier zu eigen macht.
Angela Merkel erteilt gleich eine glatte Absage. Eine Einteilung von Menschen mit und ohne Kinder sei „nicht zielführend“, sagt sie. Klar sei zwar, dass die Sozialversicherungssysteme „nachhaltiger“ als bisher finanziert werden müssten. Die Zwangsabgabe sei dazu aber nicht geeignet.
Bayerns Sozialministerin, die CSU-Frau Christine Haderthauer ist ganz anderer Meinung. „Derjenige, der Zukunft baut und Kinder hat, darf nicht mit denselben Beiträgen belastet werden wie jemand, der das – egal aus welchen Gründen – nicht tut“, sagte sie der „Welt“.
Familienministerin Kristina Schröder, formal ein Mitglied der Jungen Gruppe, ist hingegen ganz auf der Linie der Parteispitze. Sie findet es „vernünftiger, Kinderwünsche zu befördern, statt Kinderlosigkeit zu bestrafen“. Unterstützung erhält Schröder von FDP-Parlamentarierin Miriam Gruß, die einen „Kinder-Riester“ fordert: „Hier würden die Erziehungszeiten bei der Berechnung der Rente berücksichtigt.“
Die Opposition lässt an der Zwangsabgabe kein gutes Haar, zum Beispiel Linken-Chef Klaus Ernst. Er will nicht die Kinderlosen, sondern die Millionäre zur Kasse bitten: „Wir sollten eine Steuer von fünf Prozent auf Vermögen über eine Million Euro erheben“, sagte er dieser Zeitung. Das bringe dem Staat pro Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Kritik am Splitting
Ein ganz neues Fass macht die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, auf. Sie würde gern familienpolitische Leistungen kappen, also das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung bei der gesetzlichen Krankenkasse. „Beides gehört – bei einer konsequenten Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen – auf den Prüfstand“, sagt Ulrike Mascher der WAZ. Denn gerade diese Leistungen minderten den Anreiz, erwerbstätig zu bleiben und damit auch Beiträge in die Sozialkassen zu zahlen.
Damit ist die VdK-Präsidentin ganz bei den Grünen und deren Familienpolitikerin Katja Dörner. Die Partei fordert schon lange die Abschaffung des Ehegattensplittings. Parteifreundin Ekin Delizöz vermutet denn auch, der Unionsgruppe gehe es weniger um Familien als um „konservative Weltbilder“.
Der Kinderschutzbund lehnt den Vorstoß der Jungen Gruppe der CDU ab, wonach Kinderlose bei den Sozialversicherungen stärker zur Kasse gebeten werden sollen als erwerbstätige Eltern. „Es geht schließlich nicht darum, Kinderlose zu bestrafen“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heiner Hilgers, der WAZ.
Allerdings sei das Sozialversicherungssystem kinder- und familienfeindlich und missachte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das 2001 die familienfaire Neuausrichtung der Sozialversicherung gefordert hatte. „Da gibt es eine große Gerechtigkeitslücke“, sagte Hilgers. Er fordert, Familien bei den Sozialabgaben deutlich zu entlasten. „Es ist doch skandalös, wenn Alleinverdiener mit drei Kindern bereits ab einem Einkommen von 2500 Euro zu Hartz-IV-Aufstockern werden, wenn sie in teuren Großstädten leben“, sagte Hilgers. Das zusätzlich fehlende Geld müsse dann eben „woanders her kommen“.