Mülheim. .
Das Wesen, das mit verführerischer Stimme etwas suggeriert, ist nicht die Schöne im roten Kleid, die es vorgaukelt zu sein, sondern ein scheußliches Etwas zwischen räudiger, schwarzer Katze und verkapptem Diktator, der Menschen durch unwürdige Experimente gefügig macht. Aber was ist schon wirklich in diesem gruseligen geistigen Gefängnis? Willkommen in der Anstalt. Das Jugendstück „Es brennt“ nach Motiven von Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“ hatte im Theater an der Ruhr Premiere.
Die Geschichte um die Willensfreiheit, um Manipulation und Machtsysteme inszenierte Jo Fabian aus Berlin. Und auch diesmal wurde der Regisseur, Choreograf, Bühnenbildner und Medienkünstler seinem Ruf, ungewöhnliches Bildtheater zu machen, mehr als nur gerecht. Als wäre es ein Gemälde von René Magritte, präsentierte Fabian ein lebendiges, äußerst ästhetisches Bild der surrealen Art. Angereichert mit Underground-Klängen und Choreografien.
Eine Reminiszenz an den Mann mit der Melone sind die drei Insassen dieses Knastes, der auch ein Kreuzfahrtschiff auf Luxus-Fahrt in die innere Gefangenschaft sein könnte. Eigentlich hatten die drei Herren mit ausgeprägtem Mutterkomplex (Matthias Horn, Boris Schwiebert und Thomas Schweiberer) ein Raucher-Zimmer gebucht. Verboten.
Aber da gibt es die Ärztin, die rauchend und saufend im Rollstuhl oder wahlweise mit Klotz am Bein über die Bühne schlurft, und katzengleich die Insassen wie Versuchstiere hypnotisiert. Herrlich verschlagen: Gabriella Weber. Dann ist da noch ein schöner Jüngling, der gleich mehrere Rollen spielt (Marco Leibnitz) und ein Kind, das gefesselt an der Wand sitzt. Wenn von Manipulationssystemen die Rede ist, ist der Nationalsozialismus nicht fern. Einen deutlichen Fingerzeig auf den Faschismus gibt es in der Inszenierung.
Freileitung zum Telefonieren
Statt des kollektiven Antrages auf eine Freileitung zum Telefonieren hätten die drei Herren besser einen Gemeinschaftsantrag auf Freilassung stellen sollen. Doch wer entkommt schon der ständigen Manipulation? Und wer weiß schon, ob jemand die Dinge, die er erlebt, auch selbst verschuldet hat? Da bietet sich als Ausstieg aus der Kausalschleife die Pistole an. Am Ende der skurrilen Geschichte des Mannes, der in der Küche ein Ei klaute und von seiner Frau erschlagen wurde, nur weil er Hunger hatte, steht: Einer muss dran glauben. Ein wunderbar lakonischer Einstieg.
Gespickt mit witzigen Paradoxien werden dem Publikum nicht nur Zwangshandlungen vor Augen geführt, sondern auch Spielräume für neue Sichtweisen eröffnet. Ein Stück im besten Anarcho-Sinn, das bislang Gewohntes auf den Kopf stellt – eigenwillig und verstörend zugleich. Was spannend begann, lief aber im zweiten Drittel etwas ins Leere und endete unter ohrenbetäubendem Rammstein-Sound. Aufrüttelnd. Da wird sich der eine oder andere Zuschauer verwundert die Augen gerieben haben, und sich fragen, was das für eine Art von Befreiungsversuch wohl war.