Mülheim. . Bettina von der Heiden betreut als Honorarkraft bei der Aids-Hilfe HIV-Infizierte und ihre Angehörigen. Die Entlohnung ist gering und die Helfer müssen regelmäßig darum bangen, ob die Förderung vom Stadtrat verlängert wird.
Wenn Bettina von der Heiden einen Wunsch frei hätte, dann diesen: mehr Zeit für ihre Klienten zu haben. Die Klienten, das sind 13 Aids-Kranke beziehungsweise HIV-Infizierte plus sieben Angehörige. Seit Anfang des Jahres arbeitet sie als Honorarkraft bei der Aids-Hilfe in Oberhausen. Die übernimmt seit Jahren im Auftrag der Stadt Mülheim die Betreuung Betroffener und erhält dafür im Jahr 15.000 Euro. Bezahlt werden können davon 12 Betreuungsstunden pro Woche. Nicht gerade üppig.
„Fachleute gehen davon aus, dass eine Fachkraft mit einer halben Stelle von 19,5 Wochenstunden zehn bis höchstens zwölf Klienten betreuen kann“, sagt Ulrich Breitbach vom Vorstand der Aidshilfe. Zum zu gering bemessenen Zeitbudget komme noch etwas anderes: Honorarkräfte müssen regelmäßig darum bangen, ob die Förderung vom Stadtrat verlängert wird. Die Folge: Wer etwas besser Bezahltes oder Festes findet, ist weg. Außerdem: Eine neue Honorarkraft muss sich erst einarbeiten und wieder eine neue Bindung zu den Klienten aufbauen. „Eine feste, sozialversicherungspflichtige Stelle wäre daher wünschenswert“, meint Breitbach.
Defekt im System
Zurück zu Bettina von der Heiden: Von Hause aus ist sie Systemischer Coach. Was das ist? „Verkürzt gesagt, ist das eine pädagogische Ausbildung, die befähigt, Einzelgespräche in einem bestimmten System zu führen. Der Mensch ist ein funktionierendes System. Es gibt Dinge, die das System ins Wanken bringen. Der Coach muss die richtigen Fragen stellen und Denkanstöße geben. Systematisches Coaching verbindet Pädagogik und Therapie“.
Gespräche führen, das ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit bei der Aidshilfe. Dabei ist die Bandbreite riesig: Sie spricht mit Betroffenen darüber, ob und wie sie sich gegenüber ihren Familienangehörigen, ihren Freunden oder eventuell auch dem Arbeitgeber outen. Sie bespricht medizinische Aspekte der Krankheit. Sie steht jemandem bei, der gemobbt wird. Sie gibt Hinweise, wie und wo es weitere Unterstützung gibt. Außerdem weiß sie Rat in Sachen gesunde Ernährung. „Die ist ganz wichtig für meine Klienten.“
Krisenintervention
Doch Betreuung bedeutet mehr. Zum Beispiel Krisenintervention: Ein Klient wollte keine Medikamente mehr nehmen. „Er sagte, ich sterbe doch sowieso.“ Von der Heiden sprach mit ihm, begleitete ihn in die Klinik, redete mit Ärzten, der Krankenkasse, baute ihn wieder auf. „Da geht ganz viel Kraft rein. Und auch psychisch hat mich das sehr aufgewühlt.“ Ein anderer Punkt: Einige Klienten stammen aus dem afrikanischen Ghana. Sie stehen, obwohl sie Familie haben, völlig allein da mit ihren Problemen. „Die können sich ihren Angehörigen nicht öffnen. Das sind sehr gläubige Menschen. Homosexualität, das gibt es da nicht.“ Ein dritter Punkt: Oft muss sie erfahren, dass sie etwas bespricht, ein Ziel oder nächste Schritte vereinbart. „Dann kommt der Alltag, es gibt wieder eine Talfahrt und ich muss wieder Feuerwehr spielen. Das ist mühsam, und zwar für beide Seiten.“
Und darum wünscht sich von der Heiden auch, mehr Zeit zu haben. Ihr Vertrag endet am 31. Dezember. Ob sie 2012 weitermachen kann, entscheidet der Rat am 15. Dezember.