Mülheim. .

Das Handy steht nicht still. Zwischen zwei Bissen ruft Ali aus Madrid an, um schnell noch was zum Aufbau für das Nationaltheater Weimar zu sagen. Heute kommen die Kubaner über Paris auf dem Kölner Flughafen an. Müssen also abgeholt werden. Die Mappe mit den Dispos ist ständiger Begleiter von Udo Balzer-Reher. Regeln und helfen kann er meistens – nur einem nicht, der mittags noch eine Karte für die Abendvorstellung haben will. Dem muss er sagen: „Keine Chance, wir sind überfüllt.“ Oder: Alte Hose anziehen und auf den Boden setzen.

Zeit für Zwischenbilanz

Die 36. Mülheimer Theatertage haben ihr Bergfest hinter sich. Zeit für eine Zwischenbilanz. Die „Stücke“ laufen, trotz vieler Konkurrenzveranstaltungen. „Wir werden auf eine Auslastung von weit über 90 Prozent kommen“, sagt der Leiter der Theatertage. In Zahlen: 2800, 2900 verkaufte Karten. Eine dritte Aufführung von „Verrücktes Blut“ (Ballhaus Naunystraße Berlin und Ruhrtriennale), die am Donnerstag, den 02. Juli, 19.30 Uhr, in der Stadthalle zu sehen ist, hätte man auch noch voll bekommen. Aber das sei nicht machbar gewesen, „weil das Ensemble Angst hatte, so durch zu sein, dass sie keine gute Vorstellung mehr hinkriegen“. Das Publikumsinteresse an den Stücken ist stabil. „Wir sind auf einem hohen Niveau, was wir in den letzten Jahren halten konnten.“

Pech hatte ein Schauspieler aus Dresden, der in der ersten Vorstellung von „Die Firma dankt“ in einer Slapstick-Szene zu hart auf die überdimensionierte Banane haute. „Er hat sich die Hand gebrochen, war im Krankenhaus und spielte am zweiten Tag tapfer mit Schiene.“

Große Bandbreite an Formen und Autoren

Wie findet der Stücke-Chef den Jahrgang 2011? „Ich will der Jury nicht vorgreifen, aber ich glaube, dass wir in diesem Jahr eine sehr große Bandbreite an Formen und Autoren haben, die sehr unterschiedlich an ihre Aufgabe herangehen.“ Die Produktion von „Verrücktes Blut“ sei völlig anders entstanden als Lutz Hübners „Die Firma dankt“ oder Jelineks „Winterreise“. Die Bandbreite, und das könne man sagen, habe schon das eine oder andere Jury-Mitglied zu der Aussage gebracht: Wie soll man das beurteilen? „Man kann die Stücke unglaublich schlecht vergleichen.“ Und mit Vergleichen komme man nur schwerlich zum Preisträger. Wobei sich diesmal alle Stücke nah an den Themenfeldern Ökonomie und Arbeitswelt reiben. Es wird also spannend, wer diesmal den Mülheimer Dramatikerpreis gewinnt. Für den „Stücke-Sprössling“ stand der Gewinner schon Ende letzter Woche fest: Michael Müller heimste für „Über die Grenze ist es nur ein Schritt“ den mit 10.000 € dotierten Mülheimer Kinder-Stücke-Preis 2011 ein. Mit dem kleinen Festival im Festival ist Balzer-Reher „sehr zufrieden.“ Es sei bestens gelaufen und von den Kindern gut angenommen worden.

Zurück zu den großen Stücken: Nach „Warteraum Zukunft“ von Oliver Kluck am 7. Juni wird es womöglich eine lange Nacht, wenn die Jury ab 22 Uhr über den Dramatikerpreis diskutiert. Mal gucken, ob sich der Preis diesmal an Elfriede Jelinek vorbeimogeln kann, die mit „Winterreise“ ein starkes Stück vorlegte.