Mülheim. Die Mitarbeiter von Vallourec & Mannesmann (V&M) in Mülheim wehren sich gegen das Zukunftskonzept “Stream Line“, mit dem der Standort wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Denn Stellenabbau und Auslagerungen ganzer Abteilungen wären die Folge.

Mit aller Macht wird sich die Belegschaft von Vallourec & Mannesmann (V&M) gegen die Pläne des Managements stemmen, am Standort Mülheim mehr als 300 Stellen abzubauen, Teile der Fertigung zu verlagern und Abteilungen auszulagern. Dahinter setzten am Donnerstag etliche hundert Mitarbeiter ein Ausrufezeichen, als sie sich um „fünf vor zwölf“ zum kurzen Warnstreik am Werkstor versammelten.

Betriebsratsvorsitzender Gerhard Oelschlegel ergriff nach eigener Einschätzung vor rund 700 Kollegen aus Fertigung und Verwaltung das Wort, um in der Pause der zweiten Verhandlungsrunde zwischen Management und Betriebsrat gegen das von der V&M-Spitze vorgelegte Zukunftskonzept „Stream Line“ (schlanke Linie) deutlich Position zu beziehen.

"Wir befinden uns weltweit in starkem Konkurrenzkampf"

„Stream Line“ ist ein Programm, mit dem V&M Deutschland dem Mülheimer Werk bis 2012 mehr Wettbewerbsfähigkeit verpassen will. Dabei sieht die Chefetage eine Investition von bis zu 30 Mio Euro in ein Walzwerk vor, das zu den modernsten der Welt zählen soll. In Mülheim soll sich die Produktion künftig auf Ölfeld- und Leitungsrohre sowie Hohlprofile und Rohre für mechanische Anwendungen konzentrieren. So soll die Produktion von Kesselrohren komplett aus Mülheim verschwinden. Die Stammbelegschaft soll um knapp ein Drittel (rund 300 Arbeitsplätze) schrumpfen, bei Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.

Während des Warnstreiks am Mittag verteidigte Werksleiter Dr. Markus Ring die Pläne, ohne etwas zum Stand der Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite sagen zu wollen. „Wir befinden uns weltweit in starkem Konkurrenzkampf“, sagte er vor versammelter, doch wenig begeisterter Mannschaft. Er verwies darauf, dass in China Produktionskapazitäten von zehn Mio Tonnen nahtloser Rohre geschaffen worden seien – allein dies reiche, um den Weltmarkt zu bedienen. Die Konkurrenz mit Billigwettbewerbern mache die Restrukturierung unabwendbar.

"Das wir abgeben müssen, ist nicht nachvollziehbar"

Das sehen Betriebsrat und Belegschaft anders. Insbesondere wehren sie sich gegen den Abbau der Stammarbeitsplätze (bei Zunahme von Leiharbeit), das Auslagern ganzer Abteilungen (etwa der Verladetätigkeiten) und die Verlagerung von Produktionskapazitäten. Allein die Boiler-Anlage in Mülheim außer Betrieb zu setzen, die Kesselrohre produziert, macht Oelschlegel fassungslos. Kesselrohre kommen etwa in mit Gas oder Kohle befeuerten Kraftwerken zum Einsatz – nach Fukushima sei dort ein dynamisches Wachstum zu erwarten, an dem Mülheim partizipieren könne. Darüber hinaus schwäche V&M den Standort auch mit der Investition in neue Rohr- und Stahlwerke in Brasilien, China und den USA. Beispiel USA: Laut Oelschlegel hatte das Geschäft mit den USA rund 20 % Anteil am Exportumsatz des Mülheimer Werkes. Das falle nun weg. Dabei hätte gerade Mülheim die Kleinrohre in die USA liefern können, die dort auf dem „großen Markt“ der Gasgewinnung aus Schiefergestein hätte genutzt werden können. Oelschlegel sieht keine Kompensation für das nördlich der Fritz-Thyssen-Brücke gelegene Mülheimer Werk. „Dass wir abgeben müssen, ist nicht nachvollziehbar.“

V&M wälze das Risiko einzig und allein auf die Belegschaft ab, so der Betriebsratsvorsitzende. Er vermisst im Konzept des Managements unternehmerischen Mut, neue Produkte zu entwickeln und sich neue Märkte, etwa im (Mittleren) Osten, zu erschließen. Zu gering sei das Engagement von V&M in Forschung und Entwicklung für neue Anwendungen.

„Eine schlimme Entwicklung“, unterstützt IG-Metall-Ortsbevollmächtigter Uli Dörr den Kampf von Belegschaft und Betriebsrat ohne Einschränkungen. Solidaritätsnoten übersandten auch die Belegschaften von Siemens Power Generation, Salzgitter Mannesmann Grobblech und Europipe – getreu dem Motto: „Schon morgen kann es auch uns treffen.“