Mülheim. . Beim Forum Gesundheit in Mülheim wurden Methoden diskutiert, die dem Geldmangel im Gesundheitswesen entgegenwirken können. Besonders der Vorschlag einer Priorisierung von Patienten und Therapien regte die Debatte an.

Die Gesundheitskassen sind klamm – diese Erkenntnis ist weder neu noch überraschend. Trotzdem bleiben die Gesundheitsreform und die Frage nach der Finanzierung des Systems heiß diskutierte Themen. Kein Wunder, denn die medizinische Versorgung durch Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte geht jeden etwas an.

Das Forum Gesundheit, veranstaltet von der Ärztekammer Nordrhein, suchte am Donnerstagabend im Evangelischen Krankenhaus Antworten auf die Frage nach der Zukunft der medizinischen Versorgung. Priorisierung, Rationierung und Budgetierung waren die Schlagworte, über die das Podium diskutierte. Hinter diesen sperrigen Begriffen verbirgt sich die Frage, wie Kosten eingespart werden können: Priorisierung bedeutet die Erstellung einer Rangliste von Krankheiten, aus der abgeleitet werden soll, welche Therapiemaßnahmen wirklich notwendig sind und somit von der Kasse übernommen werden sollen.

Priorisierung gegen die Menschenwürde?

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Prof. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, Cornelia Prüfer-Storcks, stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes AOK Rheinland und Essens Bischof Franz-Josef Overbeck stellten sich den Fragen von WAZ-Lokalchef Andreas Heinrich und dem Vorsitzenden der Ärztekammer-Kreisstelle Mülheim, Uwe Brock.

Bischof Overbeck ist sich sicher: Aus christlicher Sicht ist eine Priorisierung im Sinne einer Entscheidung für oder gegen eine Therapie nicht vertretbar und „widerspricht der Menschenwürde.“ Professor Hoppe hingegen argumentiert, dass die medizinische Versorgung längst defizitär und eine klare Einigung deswegen richtig sei. Hoppe bleibt weiterhin bei seinem bereits häufig genannten Vorschlag, ein unabhängiger Gesundheitsrat solle über die unbedingt erforderlichen Behandlungen entscheiden. „So wie es jetzt ist, können wir nicht weitermachen“, betont er.

Folgekosten vermeiden

Ministerin Steffens hingegen spricht sich vehement gegen die Priorisierung aus, „weil sie eine Falle ist.“ Ihr Vorschlag für eine bessere Gesundheitspolitik ist die Öffnung der „Sektorengrenzen“: Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, also eine stärkere Kooperation zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten. Im Fokus stehe vor allem die Einsparung von Folgekosten durch Therapiemaßnahmen: Eine intensivere Betreuung von Demenzkranken könne beispielsweise vermeiden, dass diese Patienten beispielsweise stürzen und dadurch eine Folgetherapie brauchen. Viel Applaus erntet Steffens von den anwesenden Ärztinnen und Ärzten nicht: Scheinbar herrscht großes Misstrauen gegenüber den Entscheidern im Landtag. „Frau Steffens, Sie haben den Laden übernommen, machen Sie was `draus!“ ist eine der Stimmen, die der Politikerin entgegenschlagen.

Auch das Misstrauen gegenüber den Krankenkassen bekommt Cornelia Prüfer-Storcks von der AOK an diesem Abend deutlich zu spüren. Eine Dame im Saal ergreift das Wort und beschwert sich – milde ausgedrückt – über die mangelnde Kommunikation zwischen Krankenkassen und Ärzten. Die Rabattierung von Medikamenten, also die Frage, welche Präparate ein Arzt verschreiben darf und welche der Patient selbst zahlen muss, sei undurchsichtig. Die Ärzte fordern lauthals Transparenz – und Prüfer-Storcks berichtet, es seien die Pharmaunternehmen, die der klaren Kommunikation im Wege stünden, denn diese behandelten die einzelnen Medikamenten-Rabattsätze als ihr „Geschäftsgeheimnis.“

Auch Prüfer-Storcks wehrt sich gegen die Priorisierungsdebatte: „So wie die Debatte momentan geführt wird, kann viel Unsinn dabei herauskommen.“ Einen Gesundheitsrat wie ihn Prof. Hoppe vorschlägt, lehnt sie ab: „Wenn eine Kategorisierung von Krankheiten stattfinden soll, dann nur auf Basis wissenschaftlicher Maßstäbe.“

Viele Fragen, noch mehr Meinungen – einig ist man sich nur in einem Punkt: Das Vertrauen des Patienten zum Arzt dürfe unter keinen Umständen Schaden nehmen.