Mülheim. . In der Stadthalle präsentierte sich Kabarett-Urgestein Dieter Hildebrandt mit seinem neuen Programm “Ich kann doch auch nichts dafür“ in Höchstform. Der Meister des assoziativen Denkens beweist, dass er immer noch ein scharfer Schütze ist.
Den viel beschworenen Tod des deutschen Kabaretts hat er längst überlebt. Auch mit fast 84 Jahren steckt Dieter Hildebrandt die meisten seiner jüngeren Kollegen noch locker in die Tasche. In der Stadthalle präsentierte sich der intellektuelle Alt-Star seiner verblassenden Zunft mit seinem neuen Programm „Ich kann doch auch nichts dafür“ in bestechender Form.
Mehdorn zerstört die Bahn
Der Titel seiner bissigen Show, so Hildebrandt, ist eigentlich der Entschuldigung eines Beamten der Deutschen Bahn zu verdanken, bei dem er sich über die miserablen Zugverbindungen beschwert habe. Immerhin habe man ihm aber eine Fahrkarte verkauft, auch wenn sein Zielort unerreichbar gewesen sei. So habe Bahn-Chef Mehdorn das geschafft, was die Engländer im Krieg mit Bomben und Raketen vergeblich versucht hätten: Die Deutsche Bahn zu zerstören.
Dieter Hildebrandt, als Mitglied der „Lach- und Schießgesellschaft“ und als hintersinniger und wortgewandter Moderator von Kabarett-Sendungen wie „Notizen aus der Provinz“ und „Scheibenwischer“ bekannt, ist unanfechtbar zu einer politischen und moralischen Instanz in Deutschland geworden. Sein schneidender Humor und seine satirische Schärfe wird von Parlamentariern, Wirtschaftsführern, Bischöfen und Sender-Intendanten gefürchtet. Der Meister des assoziativen Denkens, dessen rasend schnelle Gedanken- und Themensprüngen die volle Konzentration und auch politische Bildung seines auch hier in der Stadthalle großen Publikums erfordern, ist immer noch ein scharfer Schütze.
"Hinlegen!"
Besonders angetan haben es ihm die Herren Westerwelle und zu Guttenberg, der als Verteidigungsminister mit straffem Haarschnitt sein morgendlich in Unordnung geratenes Haar im Spiegel mit „Hinlegen“ kommandiere. Und Kanzlerin Merkel habe auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, wieder als Physikerin zu arbeiten, gesagt: „Wenn man 16 Jahre in der Politik war, dann ist man für einen normalen Beruf nicht mehr zu gebrauchen.“
Doch nicht nur die Politik, sondern auch die deutsche Medienlandschaft ist immer wieder Zielscheibe des rhetorisch begnadeten Kabarettisten. „Hat Kachelmann denn nun Alice Schwarzer vergewaltigt oder war es umgekehrt?“ fragt er vergnügt und stellt mit Erschrecken fest, dass all diese heiter gestimmten und grundlos schunkelnden Fans der Fernseh-Shows auch „wählen“ dürfen.
„Deutschland sucht den grauen Star“
Hildebrandt, der sich als Senior zu einer gesellschaftlichen Mehrheit zählt, fordert eine Veteranen-Casting-Show unter dem Titel „Deutschland sucht den grauen Star“ oder ein „Platz an der Sonde“. Und überhaupt haben es ihm das Alter und die Krankheiten angetan, die er in der Psychogruppe mit Lach-Yoga bekämpfen will. Seine Antwort auf die Frage eines Betroffenen, der sich nach dem Frühstück „so leer“ fühle: „Gießen Sie Kaffee nach.“
Was wünscht sich der alte Kabarettist: „Ein ruhiges Plätzchen, das so aufregend ist, dass ich mich nicht langweile.“ Donnernder Applaus in der Mülheimer Stadthalle für einen großen Kabarettisten.