Mülheim. Sollen Heizkosten gesenkt werden, ist eine Energieberatung der erste Schritt: Mit Hilfe von Infrarotbildern kann beim Thermografie-Check gezeigt werden, wo Wärme durch die Hauswände nach außen gelangt. So lässt sich die Dämmung optimal anpassen.

Siegbert Unger ist ein Frühaufsteher. Wenn die kalte Nacht den Häusern ihren letzten Rest Sonnenwärme geraubt hat, schlägt seine Stunde. Dann sitzt Unger am liebsten mit der Kamera vor dem Haus und macht knallbunte Fotos, um die ihn Impressionisten beneiden könnten – Thermogramme. Auch die Schönheit dieser Bilder liegt im Auge des Betrachters und der ausgebildete Energieberater weiß sie zu interpretieren. Nur hilft er damit Hausbesitzern nicht in Sachen „Schöner Wohnen“, sondern beim Einsparen von Energie.

„Hier sieht man eine konstruktive Wärmebrücke“, zeigt Unger auf die weißgelbe Aufnahme eines Balkons. Von seiner Infrarotkamera strahlt ein roter Punkt auf das Balkonfundament des Mehrfamilienhauses an der Kahlenbergstraße und misst Oberflächentemperatur. Un­ger fährt die Betonplatte auf und ab, „das heißt: Über sie dringt Wärme nach außen, weil sie mit dem Haus verbunden ist.“ So war es mal üblich, solche Wärmebrücken gibt es an Häusern viele: Rollladenkästen, Fensterbänke und -rahmen, Podeste, Heizkörpernischen.

Entsprechend bunt leuchtet das Haus, doch Weiß ist nicht gerade gut, sondern bedeutet eine hohe Wärmeabstrahlung, Gelb und Rot hohe bis mittlere, Blau geringe Wärme. Interpretation ist eben nicht nur in der Kunst notwendig, sondern ebenso in der Technik. Das Erdgeschossfenster leuchtet hell trotz heruntergelassener Rollladen, auch an der Hausfront unter dem Dach gibt es einen weißen Fleck, den Unger sich noch nicht erklären kann: Fünf Grad misst er hier, knapp darunter sind es aber nur 0,5. „Was ist das?“ Vorerst ein Geheimnis.

Läutet nun das bunte Spektakel bei jedem Hausbesitzer die Alarmglocken? Vor Sanierungswahn und übertriebenen Energiesparerwartungen kann Unger jedenfalls nur warnen – mit einer Anekdote: Ein Mann geht zum Heizungsbauer, der verspricht ihm, 40 Prozent Energie mit der neuen Heizanlage sparen zu können. Auch der Fassadenbauer stellt ihm 40 % in Aussicht. Als er zum Fenster-Spezialisten kommt, sagt auch dieser: 40 Prozent. „Hm,“ überlegt der Hausbesitzer schließlich, „wer bezahlt mir jetzt die überschüssigen 20 Prozent?“

Der Energieberater weiß hingegen: Alle Einsparungen sind immer bezogen auf die sanierte Fläche. Und dass es häufig besser ist, erst einmal die Wärmedurchlässigkeit – den U-Wert eines Hauses – zu verringern, statt in die Heizung zu investieren. Wer an die tatsächlichen Schwachpunkte will, muss die Sache ganzheitlich angehen. Und so geht Unger nach einem sorgfältigen Außencheck in die Mietwohnungen.

Drinnen bringt die Infrarotkamera weitere Kuriositäten zum Vorschein: über dem Wohnzimmerfenster sind es „behagliche“ 35 Grad – Heizungsrohre strahlen wohl von der darüberliegenden Wohnung bis in die untere hinein – „hab’ ich noch nicht gesehen“, schmunzelt Unger. Anderswo strahlt ein Fenstersturz ungewöhnlich kühl (17 Grad) in die Bude und auf das nahe Sofa ab. Wer hier Platz nimmt, könnte das Zimmer als kalt empfinden und die Heizung hoch drehen, obwohl die Raumtemperatur auf 22 Grad steht. „Die Kamera muss ich mir mal ausleihen“, meint auch Bewohner und Elektriker Ralf Knippscheer fasziniert.

Auch Schimmelgefahr lässt sich aufdecken

Manche Wärmediebe sind hingegen schnell „kalt gestellt“: Bei einem undichten Fenster müsste nur die Dichtung erneuert werden, bei einem anderen hilft das Nachjustieren. Doch der Energieberater deckt noch weiteres auf. In einer Schlafzimmerecke stellt die Kamera zwar oben 17, aber im unteren Bereich nur elf Grad fest: „Hier besteht Schimmelgefahr“, warnt Unger, denn hohe Luftfeuchtigkeit wird hier kondensieren. Hier ist richtiges Lüften angesagt, am besten zwei Mal am Tag für zehn Minuten, rät er, oder eine Fassadenisolierung, welche die Oberflächentemperatur in der Ecke erhöhen würde. Das beeindruckt auch die Knippscheers.

Über zwei Stunden nimmt der Energieberater die Wohnungen geduldig unter die Infrarotlupe, beantwortet viele Fragen. Sein kurzes Fazit: Bessere Außendämmung an der Fassade wäre auch gegen den Schimmel gut, Fensterbänke innen und außen überdämmen! Auch Ralf Knippscheer hat seine Schlüsse gezogen: Die Thermografie-Tour hat sich gelohnt, selbst wenn er die Kosten für eine neue Fassade scheut, überrascht hat ihn aber die Schimmelgefahr und: „Ich werde endlich die neuen Dichtungen aus dem Keller holen – gleich morgen.“