Mülheim. Sonnenenergie könnte 70 Prozent des in Mülheim benötigten Stroms liefern. Jetzt wird die Förderung für den Bau neuer Solarstrom-Anlagen gekürzt. Experten sehen darin kein Problem. Sondern eine Chance für Innovationen - und auf billigeren Strom.

Würden alle Mülheimer, bei denen es möglich ist, auf ihren Dächern Solaranlagen installieren, könnten diese 70 Prozent des privaten Stromverbrauchs der Stadt liefern. Das Solarkartaster des Umweltamts verrät das Klimapotenzial in Mülheim. Wer hätte gedacht, dass die Ruhrstadt derart auf der Sonnenseite liegt? Doch die viel beworbene „Klimazone Mülheim“ scheint jüngst einen Dämpfer erhalten zu haben: Zum ersten Juli sollen die Fördersätze für den Strom vom Dach vorgezogen um bis zu 15 Prozent gekürzt werden. Solarenergie wird unattraktiver – das Ende des Booms?

Existenzielle Sorge hat Kurt Esser, Obermeister der Dachdecker Innung Mülheim, deswegen nicht, sein Betrieb steht auf vielen Beinen. Und dennoch befürchtet er starke Auswirkungen für deutsche Solarbauer auf dem international bestimmten Markt: Lohndruck, Schwinden von Fachkräften und Arbeitsstellen. „Die Leute schauen auf den Preis“, argumentiert Esser. Amortisiert sich eine Anlage beim Kunden nun erst nach 17 statt 13 Jahren, schrecke das ab. Oder der Solarbauer müsse die Montage und Anlage eben günstiger anbieten.

Lohnniveau von Fachkräften erhalten

Doch auf den Markt drängen nicht nur Photovoltaikmodule aus Deutschland, sondern ebenso aus Ostasien. Geht der Einkaufspreis für Qualitätsanlagen aus Deutschland nicht runter, müsse zwangsläufig bei der Montage gespart werden, glaubt der Obermeister. Das übe Druck aus auf die Löhne der Fachkräfte: „Ich habe dann die Wahl, weniger zu zahlen oder ungelernte Kräfte damit zu beauftragen.“ Das will Esser aber nicht.

Gefordert hat die Verbraucherzentrale den Kompromiss mit der Solarwirtschaft schon lange: Um 40 bis 50 Prozent fielen die Preise für Module in den vergangenen Jahren, schätzt Peter Blenkers, Energie-Experte der Verbraucherzentrale in Mülheim. Die hohe Nachfrage ist dafür verantwortlich. Die Vergütung für den Solarstrom, die durch das Erneuerbare Energie Gesetz (EEG) als Anreiz geschaffen wurde, sei jedoch nicht annähernd gleich abgestuft worden. Das Resultat: „Es gab fette Gewinne für die Solarindustrie“, sagt Blenkers. Und viel zu viel und dazu noch viel zu teuren Strom, der so in die Netze eingespeist wurde. „Der jetzige Solar-Kompromiss, die Förderung um bis zu 15 Prozent zu senken, ist vernünftig“, meint daher der Energie-Experte der Verbraucherzentrale.

Strompreise sollen nicht weiter steigen

Aber ist er auch ein Klimabremser für die Stadt? „Nein“, glaubt Dr. Susanne Dickel, die die Mülheimer Initiative für Klimaschutz leitet, „er war notwendig, damit der Unmut über teuren Strom nicht größer wird. Und die geringere Förderung ist immer noch ausreichend, um die Begeisterung für Sonnenenergie nicht abnehmen zu lassen.“ Die Befürchtung, der Markt werde durch Billig-Anlagen kaputt gemacht, teilt sie nicht: „Beim Kauf eines Kühlschranks muss ich schließlich genauso auf Qualität achten wie bei einer Voltaikanlage.“ Oder auf den Ort des Gerichtsstands im Garantiefall.

Eigentlich, deutet Dickel, sei der Kompromiss ein gutes Zeichen, dass viel in Richtung erneuerbare Energie passiert sei. Die Senkung der Förderung biete schließlich auch die Chance, mehr für andere Formen der erneuerbaren Energiegewinnung wie Kraft-Wärme-Kopplung sowie Wärmedämmung zu tun.