Mülheim/Essen. .
93 mal schlugen angebliche Mitarbeiter der Wasserwerke in Essen und Mülheim zu - und erbeuteten mindestens eine Million Euro. Ihrer Opfer waren meist Senioren. Nun wurde die Trickbetrüger-Bande gefasst: eine Großfamilie aus Essen.
93 Diebstähle mit dem „Wasserwerker-Trick“ legt eine Ermittlungskommission der Polizei Essen/Mülheim einer zehn- bis zwölfköpfigen Bande zur Last. Sie stahlen auch zwölf Mülheimer Senioren Geld und Schmuck.
Beute: Mindestens eine Million Euro
Beute in beiden Städten: mindestens eine Million Euro. Der Wasserwerker-Trick geht so: „Guten Tag, wir kommen vom Wasserwerk. Nebenan haben wir einen Wasserschaden und müssen bei Ihnen an der Leitung etwas nachschauen/Sie müssen mit mir mal zum Hauptanschluss im Keller gehen.“ In beiden Fällen bleibt die Wohnungstür offen. Unbeobachtet schlüpft dann ein zweiter Täter die die Wohnung der Senioren und geht auf Diebestour.
64 Essener und Mülheimer Wohnungen
In 64 Essener und zwölf Mülheimer Wohnungen haben sich die Täter so Zugang verschafft. Zweimal wurden die Diebe in Essen auch zu Räubern: Einmal wurde eine 79-jährige, gehbehinderte Seniorin im Flur umgestoßen, bevor sie ihr Schmuck und Geld stahlen. „Die Frau ist auch Monate nach der Tat völlig fertig“, sagt Hauptkommissar Andreas Kluth, der Chef der Ermittlungskommission.
Die 79-Jährige ist nicht das einzige Opfer, das für den Rest seines Lebens traumatisiert bleiben wird, weiß Brigitte Niebuhr vom Kommissariat Vorbeugung, die auch nach den Taten die Opfer betreut. Sie nennt die Diebstahl-Serie „hoch verwerflich“.
Andreas Kluth rechnet damit, dass die Beute der Bande noch wesentlich höher ist als jetzt bekannt wurde. Nicht nur, weil sich die Ermittler auf die Taten zwischen Februar und November konzentriert haben, während die Bande vermutlich schon seit Jahren agiert. Die Ermittler haben auch festgestellt, dass viele Opfer die Diebstähle erst nach Monaten entdecken - und dass viele Senioren die Taten nicht anzeigen; aus Scham und aus Angst, als Fall fürs Altersheim abgestempelt zu werden.
Kern der Bande ist eine neunköpfige Großfamilie aus Essen
Kern der Bande ist eine neunköpfige Großfamilie aus Essen. Der Boss, der die Aufträge verteilte und die Beute kassierte, war ein 56-Jähriger, der nach Kluths Einschätzung „zeitlebens nie einer legalen Arbeit nachgegangen ist“. Seine Frau und seine drei Töchter (die jüngste ist 13) stehen ebenso unter Tatverdacht wie der 29-jährige Sohn, der als mutmaßlicher Haupttäter mit 15 Trickdiebstählen inzwischen seinen beiden bereits zu Haftstrafen verurteilten Brüdern in die Haft gefolgt ist.
Zur Bande gehören nach den Ermittlungen der „EK Rohr“ außerdem ein 38-Jähriger aus Hildesheim, ein 20-Jähriger aus Bremen sowie ein 30-Jähriger aus Grimma. „Ein Großteil der jungen Täter ist heroinabhängig“, sagt Kluth, andere Bandenmitglieder hätten Alkoholprobleme. Die deutsche Großfamilie zählt sich nach Kluths Angaben zur ethnischen Gruppe der Sinti.
Geldautomaten-Foto enttarnte Täter
Auf die Spur der Täter ist die Ermittlungskommission unter anderem durch ein Geldautomaten-Foto aus Herne gekommen, das den 29-Jährigen beim Abheben mit einer gestohlenen EC-Karte zeigt. Hilfreich war auch ein Video aus Hannover. Dort hatten Überwachungskameras in einem Mehrfamilienhaus die Diebe aufgezeichnet, die erbeutete Schmuck-Kassette noch in der Hand. Danach waren die Täter nach Hamburg gefahren und hatten das Geld auf der Reeperbahn ausgegeben.