Mülheim. Am 24. Juni wird das einzigartige Projekt „Eichbaumoper” uraufgeführt. Drei Musiktheater-Stücke im Takt der U-Bahn

„Die Posaunen sollten nicht so dicht beim Sänger stehen. Dann wird der Klang vielleicht transparenter.” Die Proben machen gute Fortschritte, aber ganz zufrieden ist der Dirigent noch nicht. „Die zweite Geige muss stärker kommen”, „bitte nur die Trompeten” und etwas später „jetzt die Tutti”: Askan Geisler, einer der drei musikalischen Leiter, arbeitet in der U-Bahn-Station Mülheim-Eichbaum am Feinschliff für die „Eichbaumoper”.

Noch eine Woche bis zur Uraufführung. Die Mitwirkenden – der Opernchor des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen, Ensemblemitglieder des Essener Schauspielhauses, Instrumentalisten der Neuen Philharmonie Westfalen – wirken ganz zufrieden. Und fiebrig aufgeregt zugleich. Was hier entsteht, ist schließlich etwas absolut Neuartiges. Oder, wie Isidora Zebeljan sagt, die eine der drei unter Dachbegriff „Eichbaumoper” zusammengefassten Kurzopern komponiert hat: „Wir sind die Pionieren des neuen Zeitalters der U-Bahn-Oper.” Holger Bergmann vom Ringlokschuppen ist noch entschiedener. Für ihn ist das von den Architekten Jan Liesegang und Matthias Rick (raumlaborberlin) entwickelte Projekt, bei dem erstmals eine Oper, ein Schauspiel und ein Theater der freien Szene kooperieren, schlicht wegweisend: „Hier ist erstmals Kunst erfunden worden mit den Menschen vor Ort.”

Vision für einen Ort

Die Proben laufen auf Hochtouren. Librettistin Bernadette La Hengst spielt selbst mit und führt den Chor an.
Foto: Roy Glisson
Die Proben laufen auf Hochtouren. Librettistin Bernadette La Hengst spielt selbst mit und führt den Chor an. Foto: Roy Glisson © NRZ

Auf der Suche nach einem Ort, der einst für den Aufbruch stand und längst von Planern, Verkehrsbetrieben, Menschen gleichsam verlassen worden ist, stießen die Berliner Ideengeber auf die U 18 – auf jene Modellstrecke einer über 30 Jahre alten Utopie, das Ruhrgebiet zu einer Metropole zu verbinden. Was damals auch als „Marktplatz” zwischen Mülheim und Essen gedacht war, ist heute, so Ricke, „ein aufgegebener Stadtraum”.

Ein Thema der Oper ist das Überdenken urbanistischer Ideen. Ein anderes sind die betroffenen Menschen. Ein Jahr lang, erzählt Bernadette La Hengst, von der das Libretto für den von Ari Benjamin Meyers komponierten ersten Teil der Oper stammt, hat sie im „Opernhauhaus” neben der U-Bahn-Station mit Anwohnern geredet, hat aus den erinnerten Lebensgeschichten, Träumen, Hoffnungen und Enttäuschungen sieben kurze Episoden entwickelt.

In zwei Waggons eines Sonderzuges der U 18, der ab 24. Juni vom Hirschlandplatz in Essen nach Eichbaum fährt, erlebt der Zuschauer diese vertonten und von Cordula Däuper parallel inszenierten Minigeschichten nur fragmentarisch, als Wort- und Klangfetzen – so, wie ein normaler Fahrgast nur Bruchstücke aus dem Geräuschpegel herausfiltert. Schauspieler, Sänger, Musiker steigen zu, die Kurzoper endet nach der Ankunft am Eichbaum. Dort übernimmt – im zweiten Teil (Isidora Zebeljan, Musik; Borislav Cicovacki, Libretto) – die Station die Hauptrolle. In ihr soll sich kollektive Geschichte spiegeln. „Wir wollten”, sagt Isidora Zebeljan, „dem Ort etwas entgegensetzen, eine mythische Situation schaffen. Ein hässlicher Ort wird in einen magischen Raum verwandelt.”

60 Anwohner spielen mit

Den durchwandert der Zuschauer, vom Bahnsteig treppauf zu einer anderen Spielstätte mit Sitztribüne, der dritten Kurzoper entgegen. Die stammt von Felix Leuschner (Libretto: Reto Finger), und der hat, wie er einräumt, anfangs Probleme gehabt, die permanente Geräuschkulisse (der Bahnbetrieb geht weiter) und die Akustik einzubeziehen. Doch das ist Geschichte. Leuschner ist nun sicher, dass sein Stück, dass seine „Klangsituation” in einem normalen Konzertsaal kaum funktionieren würde.

Bevor der Zuschauer die Heimfahrt antritt, kann er an der zur Bar umgebauten Opernbauhütte den Abend ausklingen lassen.

Die „Eichbaumoper” entstand in engem Kontakt mit den Anwohnern. Über 60 von ihnen, die auch an den eigens eingerichteten Workshops in der Opernhauhütte teilgenommen haben, wirken jetzt als Statisten mit.

Die Premiere am 24. Juni ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen finden am 26., 27., 28. Juni sowie am 1. bis 4. Juli statt. Die Reise beginnt jeweils um 20.45 an der U-Bahn-Station Hirschlandplatz in Essen. Die Rückfahrt ist kostenfrei mit der U 18 oder einem Shuttlebus möglich.

Karten: MiR Gelsenkirchen 0209 / 4097200; Theater Essen 0201 / 8122200; Ringlokschuppen: nur online info@ringlokschuppen.de