Mülheim. Unterstützung auf den letzten Lebensmetern ist alles andere als einfach. Gerade in Grauzonen gilt es, einiges zu beachten. Was Expertinnen raten.
Erste Hilfe – das kennt man. Aber Letzte Hilfe? Familienangehörige in ihrem Lebensabend zu begleiten, gerade dann, wenn sie wissen, dass dieser krankheitsbedingt naht, erfordert Empathie. Elf Frauen und ein Mann aus allen Generationen nehmen sich vier Stunden Zeit, den richtigen Umgang mit dieser Situation zu lernen. Sie wollen sich von den Krankenschwestern Rafaela Schmitz und Lisa Weiler des Ambulantes Hospiz‘ am Kohlenkamp praktische Tipps für diese schwierige Phase geben lassen.
Beide Frauen koordinieren ambulante Hospizarbeit und bringen viel Erfahrung in Begleitung sterbender und schwerstkranker Menschen mit. „Bei der Ersten Hilfe geht es darum, Verletzungen zu versorgen und Menschen zu heilen. Bei der Letzten Hilfe geht es darum, sterbende Menschen zu begleiten und ihnen auf ihrer letzten Wegetappe Lebensqualität zu verschaffen“, erklärt Rafaela Schmitz den Kern des Kurses, der für die Teilnehmenden mit dem Erhalt eines Letzte-Hilfe-Zertifikates endet.
Mülheimer Hospiz will niederschwellige Tipps geben
„Leben in Würde bis zuletzt“ steht auf einem Plakat an der Wand. Mit diesem Leitgedanken begleitet das Ambulante Hospiz seit 1996 schwerstkranke und sterbende Menschen. Rafaela Schmitz und Lisa Weiler machen deutlich, dass die von wenigen haupt- und ganz viel ehrenamtlichen Menschen geleistete ambulante Hospizarbeit nicht nur die Sterbenden, sondern auch deren Angehörigen entlasten will.
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Warum nehmen Menschen an diesem Letzte-Hilfe-Kurs teil? Eine 37-jährige Frau will sich für die Begleitung ihrer 40-jährigen krebskranken Schwester stärken. Ein Ehepaar in der Lebensmitte will seinen Horizont erweitern. „Wir haben viele alte Menschen in unserem privaten Umfeld. Und wir mussten auch schon sterbende Freunde begleiten und haben dabei oft eine große Unsicherheit gespürt, was man machen und sagen darf“, erklärt der Mann.
„Heute geht es in den Kliniken nur noch ums Geld“
Eine 61-jährige Frau wiederum hat bei der Begleitung sterbender Menschen in den Mülheimer Krankenhäusern schlechte Erfahrungen gemacht und möchte sich an diesem Abend für das nächste Mal rüsten lassen, um sich gegenüber Ärzten und Pflegekräften besser behaupten zu können. „Heute geht es in den Kliniken nur noch ums Geld und nicht mehr um die kranken und sterbenden Menschen“, schildert sie ihre Erfahrungen aus dem Medizinbetrieb.
Schmitz und Weiler stellen unter anderem verschiedene Patientenverfügungen vor, mit denen Menschen rechtzeitig, wenn es ihnen geistig und körperlich noch gut geht, festlegen können, was sie auf ihrer letzten Wegstrecke wollen oder nicht wollen – einschließlich lebensverlängernder Maßnahmen, wie der künstlichen Ernährung mit einer Magensonde. Besonders empfehlenswert findet Schmitz einen umfassenden Vorsorgeordner, den man bei der Verbraucherberatung an der Leineweberstraße 54 erwerben kann. „Leider habe ich erfahren müssen, dass sich Krankenhausärzte über den in einer Patientenverfügung dokumentierten Willen hinweggesetzt haben“, sagt die 61-jährige Kursteilnehmerin.
Mülheimer Expertin erklärt die Grenzen und Regeln der Palliativpflege
„Klar ist: Wenn ein sterbender Mensch die Anwesenheit und Begleitung eines Menschen wünscht, dann darf dieser Mensch auch im Krankenhaus oder im Pflegeheim an seiner Seite sein. Egal, ob es sich um einen Verwandten, einen Freund oder um eine ehrenamtliche Begleiterin des Ambulanten Hospizes handelt“, sagt Rafaela Schmitz. Sie rät den Zuhörenden: „Ob es sich um ihre eigene Patientenverfügung oder um die Patientenverfügung eines Freundes oder Angehörigen handelt, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Schreiben und unterschreiben sie nur das, womit sie selbst auch leben können und entscheiden sie sich im Zweifel immer für das Leben.“
Lisa Weiler weist darauf hin, dass man sich in Grenzfragen auf dem Weg vom Leben zum Tod, wenn es etwa um den Sinn oder den Unsinn lebensverlängernder Maßnahmen geht, auch von Ethik-Fachleuten beraten lassen kann. Als Mitglieder einer Ethikkommission in Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind sie mit Grenzfällen vertraut und verfügen deshalb über einen reichen Erfahrungsschatz darüber, was an der Grenze zwischen Leben und Tod für sterbende Menschen gut ist.
Hospiz in Mülheim: Entscheidungsdilemma und andere Sorgen
„Ich tue mich mit einer Patientenverfügung schwer, weil ich mir gar nicht in allen Einzelheiten vorstellen kann, in welche Situationen ich am Lebensende gerate und welche lebensverlängernden Maßnahmen ich mir dann wünsche oder ablehne“, beschreibt eine Frau ihr Entscheidungsdilemma.
Am Ende des Kurses zeigt sich, dass Schmitz und Weiler die Teilnehmenden nicht nur mit ihrer Information über Palliativpflegedienste, niederschwellige Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr und Medikamente, die Schmerzen, Angst, Luftnot und Übelkeit am Lebensende lindern, erreicht haben. Besonders gut getan hat ihnen Weilers und Schmitz‘ Botschaft, „dass man für sterbende Menschen vor allem da sein und die Situation mit ihnen aushalten muss.“
Und dass da, wo Worte versagen, auch das Halten, Streichen und leichte Massieren einer Hand helfen und entlasten kann.
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