Mülheim. Wie finden Bürger, Stadt und Politik angesichts großer Krisen wieder zueinander? In der Mülheimer Wolfsburg suchte man nach Antworten.

Eine Demokratiekonferenz in der katholischen Akademie, zu der auch die Stadt und das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) am Donnerstag in die Wolfsburg eingeladen hatten, zeigt, warum wir lernen müssen, wieder mehr miteinander zu reden und aufeinander einzugehen.

Die gute Nachricht zuerst: 130 Menschen von Jung bis Alt haben sich einen halben Tag Zeit genommen, sich im Plenum und in Workshops über den Zustand unserer Demokratie auszutauschen und man darf davon ausgehen, dass sie als Multiplikatoren ihre gewonnenen Einsichten und Impulse als Multiplikatoren in ihre Lebens- und Arbeitsbereiche Schule, Politik, Kirche, Jugendhilfe, Vereine und Bürgerschaft mitnehmen.

Warum Stadtverwaltung Menschen oft nicht mehr erreicht

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„Das ist der Wert dieser Veranstaltung. Das wir in Zeiten von Fake News und Verschwörungserzählungen Strategien an die Hand bekommen, wie wir mit Menschen, die wir mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr erreichen, im Gespräch bleiben können. Denn der Dialog ist der Anfang von Demokratie“, sagt Bürgermeister Markus Püll.

Daran knüpft Stadtdirektor und Bildungsdezernent David Lüngen an. „Wir erleben in der Bürgerschaft oft eine große Wut, aber auch eine große Sprachlosigkeit. Autos und Häuser von Ratsmitgliedern werden beschmiert. Aber wenn wir als Stadt zu Informationsveranstaltungen einladen, erleben wir oft, dass dort mehr Mitarbeitende der Stadtverwaltung als informations- und diskussionswillige Bürgerinnen und Bürger anwesend sind.“, sagt er und hält fest: „Wir erreichen die Menschen mit unseren klassischen Formaten nicht mehr oder zumindest nicht in ausreichender Form.“

Suche nach einfachen Lösungen in einer komplexen Welt

Was also tun? Einfache Antworten auf diese Frage konnte, die unter anderem vom Bund und von Mülheimer Unternehmen gesponserte Veranstaltung nicht liefern, aber bedenkenswerte Handlungsansätze, die nicht nur vom Podium, sondern auch aus dem Publikum kamen.

Der Journalist und Kommunikationstrainer Tom Hegermann forderte uns alle auf: „Wir müssen lernen auch emotionaler für unsere Demokratie einzutreten, weil wir Menschen, die nach einfachen Lösungen in einer immer komplexeren Welt suchen, nicht auf einer argumentativen, sondern nur auf einer emotionalen Ebene erreichen können.“

Wie er das selbst praktiziert hat, zeigt er an einem Facebook-Post, in dem er mit Blick auf die Migrationsdebatte von seinen „positiven Erfahrungen in einer Klinik berichtet, in der sich Ärzte und Pflegekräfte, die von mehreren Kontinenten in unser Land gekommen sind, um meine Gesundheit bemüht haben.“

Kommunikationstrainerin: „Mediation ist der Beruf des 21. Jahrhunderts“

Mit Blick auf unsere Medienlandschaft forderte der langjährige Hörfunkjournalist Hegermann eine Abkehr vom Häppchenjournalismus: „Wir haben es heute leider oft mit einem Journalismus zu tun, der sich der Komplexität unserer Welt verweigert und immer weniger Zeit und Platz für komplexe politische Probleme bereitstellt.“

Die Mediatorin und Kommunikationstrainerin Dr. Evgeniya Sayko forderte eine Qualifikationsoffensive in Sachen Mediation: „Mediation ist der Beruf des 21. Jahrhunderts. Wir brauchen in unserer Gesellschaft weniger Debatten, in denen wir unsere Gegenüber als Gegner sehen. Wir brauchen wieder mehr Dialog, in dem wir die andere Meinung aushalten und in der Lage sind, den anderen, trotz unserer Meinungsverschiedenheit anzuerkennen und wertzuschätzen.“

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