Mülheim. Mittlerweile in fünfter Generation geführt, steht das Mülheimer Möbelhaus Bernskötter vor Herausforderungen. Die Chefin geht sie entschlossen an.

„Nachhaltigkeit ist für Möbelhäuser nicht gerade ein einfaches Thema“, sagt Janine Bernskötter, Geschäftsführerin und Inhaberin von Möbel Bernskötter. „Unsere Branche lebt davon, Raubbau an Wäldern zu betreiben.“ Unumwunden spricht die Geschäftsfrau das an, was auf der Hand liegt. Umso bewusster ist sich die 40-Jährige der Verantwortung, die sie mit ihrem Unternehmen trägt. Nun ist die Mülheimer Traditionsfirma als eine von fünf Finalisten für den Wirtschaftspreis nominiert; es geht um die Frage, welches Unternehmen sich auf besonders kreative und vielfältige Weise um Nachhaltigkeit engagiert.

„Wir haben in den vergangenen Jahren viel angepackt und verändert“, sagt Janine Bernskötter, die das Möbelhaus in mittlerweile fünfter Generation führt. Vor rund zwei Jahren, berichtet die zweifache Mutter, habe das Unternehmen das Wiener „Terra Institute“ beauftragt – eine Beratung, die unter anderem auf Nachhaltigkeit spezialisiert ist. „Dabei wurde unter anderem unser eigener CO2-Abdruck ermittelt.“ Zur etwa gleichen Zeit hat die Unternehmensspitze einen Nachhaltigkeitsbeauftragten eingestellt.

Mülheimer Unternehmerin setzt auf erneuerbare Energien

Was ist seitdem geschehen? „Wir haben sowohl an unserem Zentrallager als auch auf dem Dach der Filiale eine Photovoltaikanlage“, sagt Janine Bernskötter. Noch ist die Anlage an der Heinrich-Lemberg-Straße erst zur Hälfte fertiggestellt. „Aber wenn dann alles in Betrieb ist, können wir 80 Prozent unseres Strombedarfs decken.“

Nachhaltige Möbel sind laut Janine Bernskötter bei der Kundschaft immer gefragter – hier mit eingearbeiteter Baumrinde.
Nachhaltige Möbel sind laut Janine Bernskötter bei der Kundschaft immer gefragter – hier mit eingearbeiteter Baumrinde. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Ein echtes Pfund angesichts der Menge an Strom, die der tägliche Betrieb des 26.000 Quadratmeter messenden Ladens verlangt, oder in den Worten der Chefin: „Wir verbrauchen gigantisch viel Strom.“ In Zahlen sind das 1,2 Millionen Kilowattstunden pro Jahr, zum Vergleich: Ein vierköpfiger Durchschnittshaushalt landet laut Statistischem Bundesamt bei knapp 4000 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr. Eine wichtige, aber auch große Investition: „Die Photovoltaikanlage hat sich in vier Jahren amortisiert, wenn alles läuft wie geplant“, so Janine Bernskötter.

Bernskötter in Mülheim: Einige Herausforderungen bleiben noch

Und auch die Fahrzeugflotte des Unternehmens soll langfristig komplett auf E-Autos oder Hybridfahrzeuge umgestellte werden. „Derzeit liegen wir da bei etwa der Hälfte.“ E-Ladesäulen für die Belegschaft gibt es schon, für die Kundschaft dann schon bald vier weitere. „Wir erhalten da regelmäßig Nachfragen aus der Kundschaft.“ Und auch die großen Lieferfahrzeuge sollen perspektivisch auf einen grünen Antrieb umgestellt werden. „Aber da warten wir aktuell noch die Entwicklungen in Sachen Wasserstoff ab, das wäre vielleicht auch eine Alternative.“

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Es tut sich also einiges – und doch gibt es Herausforderungen, die auch die erfahrene Unternehmerin immer mal wieder an einer zufriedenstellenden Lösung zweifeln lassen. „Wir haben zum Beispiel bei der Verpackung von Möbeln ein Riesen-Problem.“ Neben der Kartonage, „das kann man zumindest recyceln“, sei die Ware vielfach in Folie eingeschlagen. „Sofern wir das können, bitten wir die Hersteller, auf Logo-Drucke oder farbige Folie zu verzichten. Nur dann können wir sie auch recyceln.“ Vielfach aber hänge man als Unternehmen von den Lieferanten ab und habe nicht auf alles einen Einfluss – „leider“, so Bernskötter.

Mülheimer Unternehmerin will Mitarbeitern Vorteile geben

Das aber, worauf die Unternehmerin Einfluss hat, ist die Struktur in ihrem eigenen Hause. Die soziale Komponente in Sachen Nachhaltigkeit werde in vielerlei Hinsicht umgesetzt: Angefangen bei 60 Prozent Frauen in Führungspositionen und diversen Teams. „Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung gehören ganz fest in die Unternehmenskultur“, erklärt Janine Bernskötter. Wo es geht, komme man der rund 130-köpfigen Belegschaft entgegen. „Aktuell testen fünf Leute die Vier-Tage-Woche, weil sie sich das gewünscht haben.“

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Die Kundschaft bekommt die nachhaltige Unternehmensstrategie unvermeidlich auch mit: So klären mehrere Aufsteller im Verkaufsraum darüber auf, dass nicht überall alle Möbelstücke ausgeleuchtet werden, um Strom zu sparen. Auf Wunsch knipsen Mitarbeiter die Lichter natürlich an. „Es gab erst ein paar Leute, die sich beschwert haben, aber mittlerweile kriegen wir dazu nur positives Feedback“, sagt die Geschäftsführerin des Möbelhauses.

Um Strom zu sparen, werden bei Möbel Bernskötter längst nicht alle Möbel ausgeleuchtet.
Um Strom zu sparen, werden bei Möbel Bernskötter längst nicht alle Möbel ausgeleuchtet. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Möbel Bernskötter will komplett auf digitale Erfassung umsteigen

Mülheimer Wirtschaftspreis

Fünf Unternehmen aus Mülheim haben in diesem Jahr die Chance, den ersten Mülheimer Wirtschaftspreis zu gewinnen. Die Stadt will in diesem Jahr wissen, welcher Betrieb sich auf besonders kreative und vielfältige Weise auf Nachhaltigkeit fokussiert. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert.

Die feierliche Preisverleihung findet am 3. November am Flughafen im Luftschiffhangar der WDL-Gruppe statt. Die Finanzierung des Events erfolgt durch Sponsoren, die WDL-Gruppe stellt beispielsweise die Location kostenlos zur Verfügung. Vergeben wird der Mülheimer Wirtschaftspreis durch Oberbürgermeister Marc Buchholz.

Bis Ende Oktober soll die digitalisierte Auslieferung Standard werden: Wer Möbel bestellt, kriegt sämtliche Unterlagen nicht mehr in ausgedruckter Form, sondern per Mail. „Das betrifft auch unsere Mitarbeiter, die ausliefern und aufbauen, weil sie jetzt digital arbeiten müssen, statt mit Zettel und Stift.“ Beim Verkauf im Möbelhaus verliefen schon jetzt acht von zehn Einkäufen vollkommen digitalisiert. Zur Belohnung, aber auch als Anreiz gibt es für die Kundschaft einen Rabatt von drei Prozent – „wir nennen das den grünen Kunden“. Im Verkauf, so Bernskötter, hätten dadurch 33 Drucker abgeschafft werden können.

„Auch wenn es pathetisch klingen mag“, sagt die Unternehmerin, „uns geht es darum, etwas zurückzugeben. Wenn es dann noch wirtschaftlich sinnvoll ist, ist das nur umso schöner.“

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