Mülheim. Bis 2035 will Mülheim klimaneutral sein. Welche sozialen Aspekte auf dem Weg dorthin wichtig sind. Und: Wer soll das eigentlich alles bauen?

Bis 2035 möchte Mülheim klimaneutral sein. Aber wie eigentlich? Die bei zwei Workshops gesammelten Bürgervorschläge wurden jetzt bei einer dritten Veranstaltung priorisiert. Aber wer soll sie am Ende überhaupt umsetzen und welche sozialen Auswirkungen haben die Maßnahmen? Einig sind sich – wenig überraschend – alle darin, dass die Zeit drängt.

An mehreren Themenstationen waren im Max-Planck-Institut Zeitstrahlen bis zum anvisierten Enddatum 2035 angebracht. Die meisten der etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten die verschiedenen Vorschläge am liebsten allesamt am unteren Ende positioniert. Lieber heute als morgen, schließlich ist in Sachen Klimaschutz eine Menge liegengeblieben.

Mülheim: Klimaschutz geht nicht ohne Ausbildungsoffensive

Einig waren sich alle Teilnehmenden aber darin, dass der Klimaschutz auch mit einer Ausbildungsoffensive einhergehen muss. „Wir brauchen die ausführenden handwerklichen Betriebe, die unsere Ideen dann auch umsetzen können“, sagte etwa Volker Weißhuhn von der Medl. Sein Unternehmen setze beispielsweise beim Thema E-Ladesäulen mittlerweile bewusst auf weniger Standorte, dafür aber mit jeweils mehr Ladepunkten. Auch die Anschaffung von Personal in der Verwaltung wurde als Wunsch notiert, um Themen effektiver angehen zu können.

Bis 2030 soll eine solche Initiative möglichst abgeschlossen sein, damit die Sanierungsquote von aktuell 0,8 Prozent jährlich energetisch sanierter oder ertüchtigter Gebäude bis dahin auf immerhin 2,1 Prozent anwachsen könne.

Weitere Nachrichten zum Mülheimer Klimaschutz

Das Beispiel zeigt, dass der Klimaschutz nicht alleine im Umweltsektor zu verorten ist, sondern in viele andere Bereiche hineinspielt – wie eben auch die Arbeitswelt. So war im MPI auch nicht der eigentlich für den Bereich Klimaschutz zuständige Dezernent Felix Blasch zugegen, sondern seine Kollegin Dr. Daniela Grobe, die für den Bereich Arbeit und Soziales verantwortlich zeichnet.

Warum die Mülheimer Klimawende interdisziplinär funktionieren muss

„Es ist klar, dass das Ganze interdisziplinär gemacht werden muss“, betonte Grobe. Allerdings sei es der Stadt ein großes Anliegen, die soziale Komponente in den Prozess hin zur Klimaneutralität einzubeziehen. Die Dezernentin machte dies am Beispiel von Förderprogrammen fest. „Viele davon richten sich an Personen, die ohnehin investieren könnten. Sozial Schwächere bleiben bei solchen Programmen oft außen vor“, so Grobe, die das keinesfalls als grundlegende Kritik an Förderprojekten verstanden wissen will. „Aber manches ist unter politischem Druck mit der heißen Nadel gestrickt.“

Diskutierten über die Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen: Moderatorin Ellen Roemer von der Hochschule Ruhr-West, Christoph Hanrot (Energielenker), Christina Küsters (Planungsausschussvorsitzende), Gerd Mittich (Westnetz), Georg Grindau (Ruhrbahn) und Volker Weißhuhn (Medl) in Mülheims Max-Planck-Institut.
Diskutierten über die Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen: Moderatorin Ellen Roemer von der Hochschule Ruhr-West, Christoph Hanrot (Energielenker), Christina Küsters (Planungsausschussvorsitzende), Gerd Mittich (Westnetz), Georg Grindau (Ruhrbahn) und Volker Weißhuhn (Medl) in Mülheims Max-Planck-Institut. © Funke Foto Services | Martin Möller

Mülheim kann insofern tätig werden, als dass die Stadt mittlerweile einen Klimabonus von bis zu 65 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche gewährt, damit Leistungsberechtigte auch energetisch höherwertige Wohnungen beziehen oder nach einer Modernisierung in ihrem Zuhause bleiben können. „Klimaschutz muss man sich auch leisten können“, fasste Grobe zusammen.

Thema Mobilität liegt Mülheimerinnen und Mülheimern besonders am Herzen

Bürgerinnen und Bürger können weiter mitmachen

Noch bis zum 15. Mai haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, online auf der Seite der Stadt detaillierte Vorschläge zum Thema Klimaschutz einzureichen. Auf einer Mülheimer Karte können entsprechende Punkte, wo zum Beispiel Ladesäulen oder Photovoltaik-Standorte gewünscht werden, eingetragen werden.

Die gesammelten Vorschläge werden anschließend in einem Konzept zusammengefasst. „So ein Konzept hat eine bestimmte Flughöhe. Es wird nichts vergessen, aber es wird nicht jedes kleinste Detail wiederzufinden sein“, schränkte Ulrike Marx von der städtischen Klimastabstelle schon ein.

Am 11. Juni sollen die Ergebnisse bei einem Klimafest in der Parkstadt der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Wollten die Verantwortlichen der „Energielenker“, die den Prozess für die Stadt begleiten, die Aufmerksamkeit am liebsten auf den Bereich Wärme lenken, stieß die Mobilität erneut auf das größte Interesse unter den Teilnehmenden. „Wenn einer ein Maßnahmenträger ist, dann natürlich der ÖPNV“, meinte Georg Grindau von der Ruhrbahn, die bis 2033 ausschließlich mit Wasserstoff-Bussen fahren will.

An der entsprechenden Station kamen nicht nur viele neue Vorschläge hinzu, es landeten auch viele grüne Punkte auf dem Plakat, was so viel heißen sollte wie: einfach umsetzbar, aber hoher Beitrag zur CO2-Reduzierung. „Manches erfordert gar nicht so viele Ressourcen und kann relativ schnell umgesetzt werden“, meinte auch Timo Spors von den Grünen, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses. Als Beispiel nannte er das Verbot des Gehwegparkens.

Mobilitätswende: Fokus liegt auf dem Umweltverbund

Der absolute Fokus liegt nach Meinung der Diskutanten aber in allererster Linie auf der Förderung und dem Ausbau des Umweltverbundes und gar nicht unbedingt auf der Antriebswende. Der Ausbau von Radschnellwegen, Stärkung der Schiene, „Radabstelloffensive“ und fußgängerfreundliche Ampelschaltungen fielen als Schlagworte.

Beim Thema Wärmeplanung legten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf 4500 Anschlüsse für Fernwärme und 22.000 Wärmepumpen bis 2035 fest. Um das zu erreichen, müssten die jährlichen Zahlen aber massiv nach oben gehen. „Stand jetzt machen wir Miese für die nächsten Jahre“, meinte ein Experte der Medl.