Mülheim. In der Diskussion um die Zukunft der Friedrich-Wilhelms-Hütte äußerte die Stadt Mülheim nun einen Standpunkt, der viele überraschen dürfte.
Normalerweise verirren sich bei Ausschusssitzungen maximal ein paar wenige Gäste ins Mülheimer Rathaus. Am Dienstag aber bevölkerten bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses – wie schon zwei Wochen zuvor im Planungsgremium – wieder etliche Mitarbeiter der Friedrich-Wilhelms-Hütte die Zuschauerbänke.
Um ihren Arbeitgeber herrscht seit Mitte März helle Aufregung, seitdem bekannt wurde, dass der Pachtvertrag der Produktionsstätte an der Friedrich-Ebert-Straße möglicherweise nicht verlängert wird. Dass sich die Politik erneut einstimmig für den Industriestandort aussprach, wird den Beschäftigten nicht die letzte Sorge genommen haben – zumal ein Vorkaufsrecht der Stadt wie beim Vallourec-Areal aktuell kein Thema ist.
Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte: Abstimmungsgespräch soll bald stattfinden
Über die Osterferien ruhte die Causa zunächst, weswegen Mitarbeitende sowie Vertreter von IG Metall gespannt waren, wie die Verwaltung eine elf Fragen umfassende Anfrage der SPD beantworten würde. Vieles hängt wohl von einem bald stattfindenden Abstimmungsgespräch über die zukünftigen Perspektiven zwischen der Stadt, der Georgsmarienhütte Holding (GMH) als Grundstückseigentümerin sowie den Gesellschaftern KMW und CE Capital Partners ab.
Die Verwaltung für ihren Teil bekannte sich klar zu den Zielsetzungen, die 2021 in einem sogenannten „Letter of Intent“ (Anm. d. Red.: Absichtserklärung) für den Bereich „Mülheim-West“ zwischen Stadtmitte und Styrum festgehalten worden sind. Als zum Jahresende der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) 80 Prozent der Anteile an der Stahlguss GmbH übernahm, wurde der Stadt noch mitgeteilt, dass diese Übernahme keinerlei Einfluss auf eine Wettbewerbsvorbereitung habe.
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Neue Vorhaben müssten sich nach Ansicht der Verwaltung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. „Das Areal ist daher auch in Zukunft weiterhin gewerblich zu nutzen. Auch eine Aufstellung eines Bebauungsplans würde aufgrund der umgebenden Bestandssituation keine signifikant abweichenden Festsetzungen treffen können“, trug Planungsamtsleiter Alexander Behringer vor.
Dennoch äußerte die Verwaltung grundsätzlich Verständnis, dass die GMH als Eigentümer des Grundstücks am Ruhrufer aus wirtschaftlichen Gründen eine Wohnbebauung in Betracht ziehe. Allerdings sei im besagten „Letter of Intent“ festgehalten, dass eine „untergeordnete Wohnnutzung“ die ansässigen Betriebe beziehungsweise deren Rechtsnachfolger nicht beeinträchtigen darf.
Warum die Mülheimer SPD für ein Vorkaufsrecht der Stadt plädiert
Aber was, wenn es den einen großen Betrieb dort nach 2026 nicht mehr gibt? Nach den Diskussionen um das Vallourec-Gelände brachte die SPD auch hier ein Vorkaufsrecht ins Spiel. „Ich glaube es greift hier vom Grundsatz her eine ähnliche Logik. Wir müssen vor dem Hintergrund der doch sehr kontroversen Debatten über die Schaffung neuer Gewerbeflächen alles tun, um die wenigen Grundstücke, die für eine solche industrielle Nutzung in Frage kommen, zu bewahren – für die Stadt selbst aber natürlich auch im Interesse der beschäftigten Kolleginnen und Kollegen, um ihnen eine Perspektive zu bieten“, meinte Sozialdemokrat Daniel Mühlenfeld.
Der Unterschied zwischen den beiden Arealen: „Bei Vallourec hatten wir von Anfang an eine konfrontative Situation, da mussten wir hoheitlich handeln“, so Planungsdezernent Felix Blasch. Eine solche Notwendigkeit, mit hoheitlichen Instrumenten einzugreifen, habe man im Fall der Hütte bislang nicht gesehen – eben auch, weil es durch die Absichtserklärung der verschiedenen Partner eine konkrete Entwicklungsplanung gibt.
Alternativstandorte für die Hütte? Nur Vallourec und der Hafen kommen überhaupt in Frage
Die Stadt wünscht sich dort „eine möglichst sinnvollere weitere Gewerbenutzung, um Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Hierzu gehören neben Gewerbe und Industrie auch Dienstleistungs- und Technologieunternehmen sowie Gastronomie und Freizeitgewerbe.“
Politik und Verwaltung setzen aber vorerst alles auf einen Erhalt der Friedrich-Wilhelms-Hütte auch über 2026 hinaus. Denn einen Alternativstandort für die Hütte gibt es realistisch betrachtet nicht. Zwar brachte Behringer den Hafen und das Vallourec-Gelände ins Spiel, es fehlen aber freie Grundstücke bzw. bei Letzterem aktuell auch noch der Zugriff auf das Areal.