Mülheim. Seine Erfolge haben Paul Lembke zu einem der berühmtesten Oberbürgermeister gemacht. Was Mülheim dem Juristen aus Mecklenburg verdankt.
Gäbe es eine Rangliste der erfolgreichsten Oberbürgermeister Mülheims, könnte sie der am 12. April 1860 in Mecklenburg geborene Jurist Paul Lembke anführen. Eine nach ihm benannte Straße führt heute zu den Mülheimer Max-Planck-Instituten. Das hat gute Gründe.
Denn das 1914 in Mülheim eröffnete Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung, das wir heute als Max-Planck-Institut kennen, hat Paul Lembke als in der Industrie gut vernetzter Oberbürgermeister in die Stadt an der Ruhr geholt. Auch das Kaiser-Wilhelm-Institut für Lederforschung wollte Lembke mithilfe des Lederfabrikanten Lindgens 1921 nach Mülheim holen. Doch im Wettbewerb mit Dresden musste sich Mülheim geschlagen geben.
In Lembkes Amtszeit wuchs Mülheim rasant an
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Nachdem er bereits in den 1890er Jahren zunächst als Regierungsassessor beim Mülheimer Landrat und dann bei der Bezirksregierung in Düsseldorf tätig gewesen war, kam Lembke 1900 als Landrat nach Mülheim zurück. Hier wohnte er an der Teinerstraße. 1904 trat der Nationalliberale das Amt des Oberbürgermeisters als Nachfolger seines 1902 verstorbenen Vorgängers Karl von Bock an.
Von Bock hatte Mülheim 1899 zur Garnisonsstadt gemacht. Das war im Kaiserreich ein geldwerter Standortvorteil. Nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern die Stadtverordnetenversammlung wählte damals den Oberbürgermeister, der, wie heute, Stadtoberhaupt, Chef der Verwaltung und Vorsitzender des Stadtrates war.
Lembkes Amtszeit, die bis zum 1. Oktober 1928 dauern sollte, war mit einem rasanten Bevölkerungswachstum und Strukturwandel verbunden. Damals wurde dieser Wandel von vielen Einheimischen skeptisch betrachtet, weil sie mit den zahlreichen Arbeitskräften und deren Familien, die aus allen Teilen Deutschlands und aus den europäischen Nachbarländern nach Mülheim kamen, um hier in den Industrie- und Handelsbetrieben zu arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
1908 wurde Mülheim endlich Großstadt
Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts betrieb Lembke eine geschickte Eingemeindungspolitik. Die bis dato eigenständigen Landbürgermeistereien Broich, Styrum, Dümpten und Heißen wurden ein Teil Mülheims. 100 Jahre nach seiner Stadtwerdung überschritt Mülheim 1908 mit der Geburt des 100.000. Mülheimers die Einwohnergrenze zur Großstadt.
Und Lembke legte los, um die Infrastruktur großstädtisch auszubauen. Vieles von dem, was wir heute im Stadtbild als Merkmale Mülheims wahrnehmen, angefangen beim 1916 fertig gestellten Rathaus, entstand unter der Federführung des agilen Verwaltungschefs, der für alle seine Nachfolger Maßstäbe setzte und oft zu große Fußstapfen hinterließ.
Weiße Flotte, Wasserbahnhof, Solbad und Stadthalle fielen in Lembkes Amtszeit
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Mit dem Bau des Speldorfer Hafens und des Wasserbahnhofs, verbunden mit der Gründung der Weißen Flotte knüpfte Lembke an Mülheims Schifffahrtstradition an und transformierte sie in eine Zeit mit veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mit der Eröffnung des Solbades Raffelberg, der benachbarten Rennbahn und der ersten Schloßbrücke, um 1910, trug Lembke der Tatsache Rechnung, dass auch Mobilität, Gesundheit, Sport und Freizeit lebenswichtige Faktoren für einen Wirtschaftsstandort sind.
Hinzu kam ein Ausbau des Schulwesens. Sowie in den 1920er Jahren der Bau des Styrumer Ruhrstadions und der Stadthalle. Letztere plante Lembke als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Ankurbelung der Mülheimer Wirtschaft. Das Bauwerk, das Mülheim den Ruf eines Ruhrvenedigs einbrachte, bezahlte die Stadt in Zeiten der Hyperinflation mit selbst gedrucktem Notgeld.
Thyssen und Stimmes stützten seine erfolgreiche Amtszeit
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Ebenfalls in den 1920er Jahren bekam Mülheim am Raffelberg ein Wasserkraftwerk und in Raadt einen Flughafen, der bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieg, Westdeutschlands größter Airport bleiben sollte. Ob Wohnungsbau, die Einrichtung eines Stadtbades an der Ruhr oder der Aufbau leistungsfähiger Wasser- und Energieversorger, wie RWW und RWE: Auch zu Lembkes Zeiten, die von Krieg, Revolution und Wirtschaftskrisen überschattet waren, war die Arbeit des Oberbürgermeisters keine One-Man-Show.
Kongeniale Partner, wie der Beigeordnete Artur Brocke, die Industriellen August Thyssen und Hugo Stinnes und nicht zuletzt die gutdotierte Stiftung der Margarete Stinnes und ihres Gatten Dr. Hermann Leonhard leisteten einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Amtszeit, an deren Ende ein Festbankett in der Stadthalle und die Ehrenbürgerschaft Paul Lembkes stand. Auch nach dem Ende seiner Amtszeit blieb der Alt-Oberbürgermeister in Mülheim, wo er am 19. September 1939 starb. So bleib es Paul Lembke erspart, miterleben zu müssen, dass vieles, was er in seiner Ära an lokaler Infrastruktur geschaffen hatte.
Würdigungen eines großen Oberbürgermeisters
Als Paul Lemke am 1. Oktober 1928 aus seinem Amt als Oberbürgermeister der Stadt heim verabschiedet wurde sagte der damalige Regierungspräsident über seine Amtszeit: „Selten wohl hat eine Stadt während der Amtszeit des Stadtoberhauptes so gewaltige Wandlungen eine so bedeutende Entwicklung aufzuweisen, wie Mülheim an der Ruhe in den letzten 25 Jahren. Ihrer hohen Begabung, sehr verehrter Herr Dr. Lemke und ihren Fähigkeiten ist die Größe der Ruhrstadt zu danken.“
In seiner Trauerrede auf seinen mittelbaren Vorgänger sagte der damalige Oberbürgermeister Edwin Hasenjäger im September 1939: „Er war der Gründer der Großstadt Mülheim. Sein Amt führte er mit vorbildlicher Hingabe und nie ermüdender Arbeitsfreude. Seine Amtszeit war eine Periode von reichen Erfolgen, in der große Pläne und Entschlüsse reiften. Wie ein Märchen erscheinen uns heute seine erfolgreichen Eingemeindungen, die Mülheim zur Großstadt werden ließen. Die unvergesslichen Verdienste werden als Ehrenblatt in die Geschichte Mülheims eingehen.“
Und Stadtarchivar Dr. Kurt Ortmanns schrieb 1993 im Rückblick auf Paul Lembke: „Lembke hat Mülheim von einer Kleinen oder Mittelstadt durch entscheidende Verbesserungen der Infrastruktur der Wirtschaft und des Verkehrs sowie durch kulturelle Impulse zu einer modernen Großstadt umgestaltet, eine Entwicklung, die auch im Stadtgebiet durch zahlreiche Großbauten sichtbar wurde und wird.“