Mülheim. Acht Hilfs-Lkw aus Mülheim kamen schon im Erdbebengebiet an. Die Bilder: „Viel schlimmer als im Fernsehen.“ Tolle Aktion am Gymnasium Broich.

Die Mülheimer Fatih-Moschee stemmt seit zehn Tagen eine gewaltige Hilfsaktion für die Erdbebenopfer. Ihre stellvertretende Vorsitzende, Sengül Öztürk-Özdöl, schwankt permanent zwischen Schmerz und Freude. Weh tun ihr die Fotos, die Helfer vor Ort aufgenommen und geschickt haben. „Die haben ganz andere Bilder, als man im Fernsehen sieht. Es ist in Wirklichkeit viel verheerender. Ganz schlimm.“

Glücklich macht sie die verbindende Hilfsbereitschaft der Menschen in Mülheim. Laut türkisch-islamischer Gemeinde wurden in der Moschee an der Sandstraße bereits mehr als 15.000 Kartons voller Sachspenden gepackt, vorher Berge geschenkter Dinge sortiert. Acht Lkw voller Hilfsgüter seien schon im Katastrophengebiet angekommen, berichtet Sengül Öztürk-Özdöl, zwei davon seien nach Syrien gefahren. Vor Ort arbeite man mit verschiedenen gemeinnützigen Hilfsorganisationen zusammen: türkischen, deutschen, syrischen.

Mülheimer Fatih-Moschee schickt Lkw und Luftfracht ins Katastrophengebiet

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Einige Lkw seien direkt nach Hatay geschickt worden, berichtet die stellvertretende Gemeindevorsitzende, andere nach Ankara, wo es ein Lager gebe, zwei Wagen nach Aksaray: „Von dort werden die Hilfsgüter mit Militärhubschraubern in die Dörfer transportiert.“

Außerdem habe die Mülheimer Gemeinde eine große Luftfrachtladung auf den Weg gebracht – „38 Paletten mit Babyhygieneartikeln und Ähnlichem“. Weitere Paletten seien gepackt und transportfertig. Über mehrere Ecken habe man auch Kontakt geknüpft zur Krefelder Polizei: „Sie haben 500 Kilo medizinisches Material für uns gesammelt, Schlafsäcke, Desinfektionsmittel, Masken, Handschuhe.“

Sachspenden aktuell nicht mehr nötig, aber Geld für Notunterkünfte

Sachspenden würden momentan nicht mehr benötigt, sagt Sengül Öztürk-Özdöl. „Das ist lieb gemeint, aber die Menschen brauchen jetzt Notunterkünfte. Wir spenden Geld, um Zelte zu besorgen.“

Um der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien zu gedenken, waren Vertreter der Mülheimer Stadtspitze zu Gast beim Freitagsgebet in der Fatih-Moschee: (v.li.) Belal Alkheder (Vorsitzender des syrischen Vereins GAIK e.V.), Celal Demircan (Ulu Moschee), Nuh Yener (ATIB Moschee), Oberbürgermeister Marc Buchholz, Sengül Öztürk-Özdöl (stellvertretende Vorsitzende Fatih-Moschee), Stadtdirektor David Lüngen und Ali Karpuz (Vorsitzender Fatih-Moschee).
Um der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien zu gedenken, waren Vertreter der Mülheimer Stadtspitze zu Gast beim Freitagsgebet in der Fatih-Moschee: (v.li.) Belal Alkheder (Vorsitzender des syrischen Vereins GAIK e.V.), Celal Demircan (Ulu Moschee), Nuh Yener (ATIB Moschee), Oberbürgermeister Marc Buchholz, Sengül Öztürk-Özdöl (stellvertretende Vorsitzende Fatih-Moschee), Stadtdirektor David Lüngen und Ali Karpuz (Vorsitzender Fatih-Moschee). © Unbekannt | Tobias Grimm / Stadt Mülheim

Einen Satz sagt die 52-Jährige in diesen Tagen häufig: „Es gibt so viele Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck.“ Die Hilfsaktion sei wie am Schnürchen gelaufen, immer wieder habe sich jemand spontan bereiterklärt, mit anzupacken oder eine Rechnung zu zahlen, etwa für Luftfracht. Sie sei allen Menschen in Mülheim dankbar, die geholfen haben, unabhängig von Nationalität oder Religion – „die dazu beigetragen haben, dass wir in diesem Mini-Ort super Großes geleistet haben, in kurzer Zeit“.

Auch Mülheims Oberbürgermeister findet, dass die vielen Helferinnen und Helfer „Großartiges“ geschafft haben – er lobte sie anlässlich des Freitagsgebetes in der Styrumer Moschee, wo er zu Gast war. Dankbar äußerte sich auch Belal Alkheder, Vorsitzender des syrischen Vereins GAIK e.V. (gemeinsame Aktion für Integration und intellektuelle Kommunikation). Er war ebenfalls zum Freitagsgebet geladen, neben Hasan Tuncer, Vorsitzender des Mülheimer Integrationsrates, Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Roten Kreuzes und zahlreichen freiwilligen Helfern.

Gymnasium Broich: Back-Aktion bringt 1400 Euro für die Erdbebenhilfe

Im gesamten Stadtgebiet laufen kleinere Hilfsaktionen für die Erdbebenopfer, beispielsweise Benefizspiele, mit denen Mülheimer Sportlerinnen und Sportler einen Beitrag leisten möchten.

Auch Kinder und Jugendliche am Gymnasium Broich sind angesichts der Katastrophe aktiv geworden: Die Schülervertretung (SV) hat unter dem Motto „Broich backt (für die Erdbebenopfer)“ alle Schülerinnen und Schüler angeschrieben. Nach Auskunft von Lehrer Seydi Güngör haben mehr als 50 Leute am Mittwoch Kuchen, Muffins, belegte Brötchen, Kekse, Brezeln oder Lahmacun vorbereitet und mitgebracht. Die Backwaren wurden an einem Stand im Foyer verkauft – für einen Mindestbeitrag von einem Euro pro Stück.

Im Mülheimer Gymnasium Broich wurden am Mittwoch Kuchen, Brötchen und anderes Gebäck für die Erdbebenhilfe verkauft. Insgesamt kamen rund 1400 Euro zusammen. Die Mutter einer Schülerin will die Spendensumme verdoppeln.
Im Mülheimer Gymnasium Broich wurden am Mittwoch Kuchen, Brötchen und anderes Gebäck für die Erdbebenhilfe verkauft. Insgesamt kamen rund 1400 Euro zusammen. Die Mutter einer Schülerin will die Spendensumme verdoppeln. © Unbekannt | Seydi Güngör

„Am Ende der zweiten Pause waren fast alle Sachen ausverkauft“, berichtet Güngör. „Das Besondere war, dass die gesamte Schülerschaft mit einbezogen war und jeder etwas beitragen konnte, entweder durch Kuchenspenden oder durch den Einkauf.“ Insgesamt sind bei der Aktion „Broich backt“ laut SV mehr als 1400 Euro zusammengekommen. Die Mutter einer Schülerin hat versprochen, diesen Betrag zu verdoppeln, damit wäre man bei 2800 Euro.

Mülheimer Apotheker raten: Keine Medikamente spenden, lieber Geld

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Auch die örtlichen Apotheker melden sich in Sachen Erdbebenhilfe – sie raten von Arzneimittelspenden ab. Wesentlich sinnvoller sei es, Geld an seriöse Organisationen zu spenden, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Apothekerkammer Nordrhein, die auch für Mülheim zuständig ist. Denn diese arbeiteten eng mit Helfenden vor Ort zusammen und wüssten genau, welche Medikamente und medizinischen Materialien wo gebraucht werden. „So können Spendengelder gezielt und direkt für die Beschaffung und Verteilung der notwendigen Medikamente eingesetzt werden“, erklärt Peter Lamberti, Sprecher der Mülheimer Apotheker.

Als seriöse und bewährte Hilfsorganisationen, die auf medizinische Versorgung spezialisiert sind, nennen die Apotheker: „action medeor – Die Notapotheke der Welt“ (www.medeor.de), Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. (www.apotheker-ohne-grenzen.de) und Ärzte ohne Grenzen e.V. (www.aerzte-ohne-grenzen.de). Alle drei Organisationen bieten über ihre Websites die Möglichkeit, direkt online zu spenden.