Mülheim. Mülheim hilft! Die Fatih Moschee wird überhäuft mit Spenden für Erdbebenopfer in Not – in der Türkei und in Syrien. Auch arme Leute geben Geld.
Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien mit zigtausend Opfern und grauenvollen Bildern erschüttert viele Menschen in Mülheim. Zu einem Zentrum der Spenden- und Hilfsbereitschaft ist die Fatih Moschee an der Sandstraße geworden. Am Montagabend hatte die türkisch-islamische Ditib-Gemeinde mit Flyern und Facebook-Posts zu Spenden aufgerufen, die an der Moschee abgegeben werden können. Seit dem frühen Dienstagmorgen wird dort geschuftet.
„Sie können sich nicht vorstellen, was hier los war“, sagt die neue stellvertretende Gemeindevorsitzende Sengül Öztürk-Özdöl (52). „Mit solchen Mengen haben wir echt nicht gerechnet.“ Mittlerweile wird keine Kleidung mehr angenommen. Benötigt werden nur noch Windeln, Babynahrung, Hygieneartikel. Die Spendenaktion übersteigt die logistischen Möglichkeiten der Freiwilligen, die gar nicht genügend Lkw haben. Sie schweißt aber auch die Menschen in Mülheim zusammen, denn es spenden und helfen längst nicht nur Mitglieder der Ditib-Gemeinde, zu der etwa 450 Erwachsene gehören.
In Mülheimer Moschee werden Spenden sortiert
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Massenhaft Kleidung wurde angeschleppt. Vorwiegend Frauen sortieren sie im geräumigen Vorraum der Moschee, der vollgestellt ist mit Kisten, Tüten und Tischen. Die Spenden sollen gut sortiert und gekennzeichnet auf die Reise gehen, erklärt Sengül Öztürk-Özdöl: Auf den Kartons steht die Art der Bekleidung, die Größe. Wolldecken werden separat verpackt. So soll sichergestellt werden, dass die Lkw mit den Hilfsgütern ins Land gelassen und nicht an der türkischen Grenze abgewiesen werden.
Auch Hunde- und Katzennahrung wird ins Katastrophengebiet geliefert: „Auch diese Geschöpfe hat Gott erschaffen, sie müssen etwas zu essen haben.“ Ein Lkw sei bereits losgefahren, zwei weitere sollten am Mittwoch starten, begleitet von Gemeindemitgliedern. Außerdem sei ein Mann aus der Gemeinde in die Türkei geflogen, um die Verteilung der Spenden vor Ort vorzubereiten. Dies soll gemeinsam mit einer internationalen Hilfsorganisation geschehen.
Kartons mit Spenden gehen auch an eine syrische Gemeinde
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Es wurden, wie bei jeder großen Spendenaktion, auch Dinge abgegeben, die im Katastrophengebiet bei hartem Winterwetter niemand gebrauchen kann. Sommerkleider, Badesachen, Flipflops. Und bereits jetzt übersteigt die Masse der gespendeten Kleidung wohl das, was die Mülheimer Gemeinde transportieren kann. „Wir könnten locker noch zwei, drei Lkw ins Erdbebengebiet gebrauchen.“
Mit einer syrischen Gemeinde aus Essen stehe man in Kontakt, berichtet Sengül Öztürk-Özdöl, und mit ihr würden die Spenden jetzt geteilt, damit einiges davon nach Syrien gebracht werden kann. Viele Pakete wurden schon passend beschriftet: „Syrien“. Die stellvertretende Gemeindevorsitzende sagt: „Egal, welcher Glaube, welche Nationalität, das sind alles Menschen in Not. Die Leute hier würden genauso Kisten für Syrien packen.“
Mülheimer Diakoniewerk steuerte Winterkleidung und Hygieneartikel bei
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Über die Verwendung der überschüssigen Sachen ist die Gemeinde mit dem Mülheimer Diakoniewerk Arbeit & Kultur im Gespräch. Dessen Geschäftsführer Dominik Schreyer machte aber am Mittwoch auf Anfrage bereits deutlich, dass sie höchstens einen kleinen Teil davon abnehmen könnten. Umgekehrt habe das Diakoniewerk aus dem eigenen Lager zwölf Säcke mit warmer Kleidung und Hygieneartikeln zur Moschee gebracht. Schreyer zeigte sich von der Spendenbereitschaft der Menschen beeindruckt. „Jetzt geht es darum, die richtigen Hilfsgüter zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen“, was sicher nicht einfach sei.
Auch Geldspenden werden in der Moschee abgegeben. Die Gemeinde will damit gezielt Familien aus Mülheim unterstützen, deren Verwandte im Katastrophengebiet leben und vom Erdbeben betroffen sind. Einige Fälle gebe es, erste Summen seien schon ausgezahlt worden.
Sozialhilfeempfängerin spendet 100 Euro
Fortlaufend kommen Menschen herein, mit Umschlägen in der Hand. Eine ältere Frau mit schwarzem Kopftuch überreicht Bargeld. Als sie gegangen ist, sagt Sengül Öztürk-Özdöl: „Sie hat geweint. Sie sagt, sie kann nicht mehr schlafen, weil sie selber im warmen Bett liegt, während Kinder im Erdbebengebiet frieren. Sie lebt von Sozialhilfe, aber sie hat 100 Euro gegeben.“
Das Team der Fatih Moschee erlebt in diesen Tagen bewegende Szenen und freut sich weiterhin über Helferinnen und Helfer, die Spenden sortieren und verpacken. „Zu tun ist hier immer was“, sagt die stellvertretende Vorsitzende. „Manche sind schon seit zwei Tagen dabei. Die werden morgen nicht mehr können.“