Mülheim. Zwei Mülheimerinnen berichten von stundenlangen Wartezeiten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Diese erläutern, wie sie bei Andrang vorgehen.

In den Zentralen Notaufnahmen der Mülheimer Krankenhäuser kommt es seit einiger Zeit wohl öfter zu längeren Wartezeiten. Von zwei extremen Fällen berichten Leser, die dort über mehrere Stunden ausharren mussten, obwohl sie nicht unerhebliche Probleme hatten.

Eine 94 Jahre alte Dame (Name der Redaktion bekannt), die von ihrem Hausarzt mit einem Thromboseverdacht im Taxi zum Evangelischen Krankenhaus geschickt wurde, wartete laut Aussage ihrer Angehörigen rund fünf Stunden. Der Hausarzt hatte seiner Patientin zwar vorsichtshalber ein blutverdünnendes Medikament gespritzt, es war ihr aber wichtig, schnell eine genaue Diagnose zu bekommen.

Odyssee von einer Mülheimer Klinik zur anderen

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Nach den fünf Stunden habe es geheißen, man könne nicht garantieren, dass an diesem Tag überhaupt noch ein Arzt Zeit hätte. Die Seniorin und ihr Sohn verließen die Klinik und fuhren zum St. Marien-Hospital. Das taten allerdings auch andere, daher warteten die beiden erneut: rund vier Stunden lang. „Dann kam eine Ärztin, die sich viel Zeit genommen hat, alles wurde gut“, erklärt der Sohn. Er findet aber: „Für solche Fälle der Überfüllung muss es doch einen besonderen Notfallplan geben, auch abgestimmt zwischen den beiden Krankenhäusern. Vielleicht ist der Bedarf an Hilfe einfach falsch bemessen.“

Die Odyssee einer anderen Mülheimerin (Name der Redaktion bekannt) verlief entgegengesetzt - vom Katholischen zum Evangelischen Krankenhaus. „Ich hatte einen Unfall, bei dem ich mir mein Knie stark verletzt hatte. Aufgrund starker Schmerzen und der Tatsache, dass ich das Bein nicht mehr strecken konnte, fuhr mich mein Mann zur Notaufnahme des Marien-Hospitals. Nach drei Stunden Wartezeit unter so starken Schmerzen, dass ich weinend um Hilfe bettelte, teilte mir eine Schwester mit: „Dann gehen Sie doch woanders hin. Rettungswagen haben immer Vorrang vor den Patienten in der Notaufnahme.“

Das Evangelische Krankenhauses in Mülheim. Auch dort verzeichnet man in der Notaufnahme aktuell ein erhöhtes Patientenaufkommen.
Das Evangelische Krankenhauses in Mülheim. Auch dort verzeichnet man in der Notaufnahme aktuell ein erhöhtes Patientenaufkommen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Patientin aus Mülheim sieht einen „Fehler im System“

Die Frau fuhr zum Evangelischen Krankenhaus. „Dort kollabierte ich vor Schmerzen und bekam nach insgesamt fünf Stunden endlich Hilfe. Zwei Wochen später folgte in einem anderen Krankenhaus eine komplexe Operation am Knie.“ Die Betroffene stellt rückblickend ebenfalls die personelle Ausstattung der Notfallaufnahme in Frage und sieht „eindeutig einen Fehler im System“.

Auf unsere Nachfrage erklärt man im Ev. Krankenhaus: „In der Zentralen Notaufnahme des EKM konnten wir in den vergangenen Wochen und Monaten eine vermehrte Inanspruchnahme durch Patientinnen und Patienten mit verschiedensten Erkrankungen sowie mit Influenza- und SARS-CoV-2-Infektionen verzeichnen.“ Auch die Beobachtung eines Lesers unserer Zeitung, dass mehrere Rettungswagen fast zeitgleich das EKM angefahren und in der Auffahrt gewartet hätten, sei richtig.

Mülheimer Kliniken bestätigen hohes Patientenaufkommen

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„Die Reihenfolge der Behandlung“, so erläutert Sprecherin Silke Sauerwein, „richtet sich nach der – durch die Ersteinschätzung nach dem Manchester-Ersteinschätzungssystem festgelegten – Behandlungsdringlichkeit“. Dies könne bei den Patientinnen und Patienten, die nicht lebensbedrohlich verletzt bzw. erkrankt seien, zu längeren Wartezeiten führen.

Auch das St. Marien-Hospital spricht von „einem hohen Notfallaufkommen in den letzten Wochen im gesamten Versorgungsgebiet (Essen, Mülheim, Oberhausen, Duisburg)“. Parallel hierzu sei das Notfallgeschehen wieder vermehrt geprägt durch die Versorgung von Covid-positiven Patientinnen und Patienten.

Mülheimer Kliniken richten sich nach der „Manchester-Triage“

„Unabhängig vom aktuellen Patientenaufkommen in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) wird jeder Patient innerhalb von maximal zehn Minuten durch medizinisches, in diesem System geschultes Personal ersteingeschätzt, um die Dringlichkeit der Behandlung festzulegen. Für diese Ersteinschätzung wird bei uns das System der Manchester-Triage angewandt“, heißt es im Schreiben der Geschäftsleitung. Das Manchester-Triage-System kenne fünf abgestufte Gruppen von Nofall-Patientinnen und -Patienten: von der roten Kategorie „sofortige Behandlung“ bis hin zur blauen Kategorie „nicht dringend“. Anschließend erfolge der ärztliche Kontakt in den im Manchester-Triage-System vorgesehenen Zeitabständen.

Die ZNA des St. Marien-Hospitals besitze insgesamt sechs Untersuchungsräume und einen Schockraum für die schwersterkrankten Patienten. Hier würden die Patienten ihrer Priorisierung entsprechend untersucht, behandelt und gegebenenfalls stationär aufgenommen. Man erklärt: „Je nachdem, wie hoch das Patientenaufkommen in der ZNA ist und wie es sich auf diese fünf Priorisierungsgruppen verteilt, kann es für einige Patientinnen und Patienten zu hohen Wartezeiten kommen.“