Mülheim. Endlich Weihnachten! Endlich? Lena wäre lieber woanders als in Mülheim. Sie glaubt, dass Heiligabend gelaufen ist. Bis es an ihrer Tür klingelt...

Es ist 9.30 Uhr an Heiligabend und der Tag ist jetzt schon nicht mehr zu retten. Lena steht am Fenster ihres Wohnzimmers, in dem sie gar nicht sein sollte, und starrt auf die grau verregnete Mülheimer Innenstadt, die sie gar nicht sehen sollte. Eigentlich müsste sie jetzt in eine verschneite Landschaft blicken, vielleicht würde ein Rentier vorbeilaufen. Mama hätte bestimmt schon Weihnachtsmusik angemacht und ganz sicher würde es nach den köstlichen Zimtplätzchen von Tante Carlotta riechen. Die ganze Familie in ihrem Ferienhaus in Schweden – es hätte das perfekte Weihnachten sein sollen!

Stattdessen sitzt Lena in Mülheim-Mitte, blickt auf die rote Riesenkerze am Forum und fragt sich, wie man so kleinlich sein kann. Herrgott, drei Tage ist ihr Personalausweis abgelaufen. DREI TAGE! Sie hat neulich einen Quark im Kühlschrank entdeckt, der schon seit zwei Wochen abgelaufen war. Der war noch einwandfrei. Sie dagegen fühlt sich wie ausradiert. Sie lässt sich auf die Couch fallen und starrt zur Decke. Weiße Raufaser, näher kommt sie dem Bild von einer Schneelandschaft wohl nicht.

Ein Klingeln? Wer kann das schon sein...

Das Klingeln an der Tür ignoriert sie beim ersten Mal. Wer kann das schon sein? Beim zweiten Klingeln setzt sie sich auf. Wer ist da so hartnäckig? Sie kennt doch noch niemanden in den City-Hochhäusern. Sie wohnt erst seit ein paar Monaten hier. Auch deshalb hatte sie sich so auf Weihnachten gefreut. Endlich mal wieder mit Mama und Papa unter einem Dach. Manches weiß man doch erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat. Lena seufzt. Und es klingelt ein drittes Mal.

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„Ich komme ja schon.“ Sie robbt träge von ihrem Bett hinunter und schlurft Richtung Tür. Ihre Plüschsocken mit Rentieraufdruck und roter Bommelnase kommen ihr auf einmal komplett albern vor. „Wehe, das ist nicht wichtig“, meckert sie noch hinterher, einfach weil die schlechte Laune irgendwo hin muss.

Ein rätselhafter Fund vor der Tür

Vor der Tür sieht sie… nichts. Da ist nur das leere Treppenhaus mit der verstaubten Yucca-Palme und dem Duft von Keller und Waschmittel. Ihr Blick geht tiefer und landet auf der Fußmatte. „Was soll das denn jetzt?“ Sie kniet sich hin und nimmt das kleine Päckchen in ihre Hände. Es ist vielleicht so groß wie ein Schuhkarton und mit braunem Packpapier eingewickelt. Es müssen Regentropfen darauf gefallen sein, denn die blaue Schrift ist nur mühsam zu entziffern. „An Herrn Klaus. Was steht da? Ni … co“, redet sie vor sich hin und stutzt. „Nico Klaus? Das ist ja wohl ein Scherz.“ Besonders merkwürdig findet sie aber, dass gar keine Adresse draufsteht. Nur ein Hinweis. Sie kneift die Augen zusammen und sieht ganz genau hin. Dann murmelt sie: „Wichtig! Muss Heiligabend ankommen!“

Lena sieht sich um, aber außer ihr ist hier wirklich niemand. „Mist“, sagt sie. „Was mache ich jetzt mit dir?“ Sie wiegt das Päckchen in ihren Händen. Es ist ganz leicht. Sie blickt noch einmal auf den „Wichtig“-Hinweis. Wer auch immer Nico Klaus ist: Er freut sich vermutlich genauso auf dieses Päckchen, wie sie sich auf Schweden gefreut hat. Lena atmet durch, dann sagt sie zu dem braunen Rechteck in ihren Händen: „Mein Weihnachten ist gelaufen. Aber vielleicht kann ich wenigstens Nicos Fest retten.“

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