Mülheim. Nazis, Rassisten, zu viele weiße Männer: Mülheims grüner Nachwuchs will Straßen umbenennen. Warum die gute Idee am Geld scheitern könnte.

Die Grüne Jugend will eine ganze Reihe von Straßen in Mülheim umbenennen. Straßennamen „mit rassistischer, kolonialistischer oder nationalsozialistischer Konnotation“ sollten verschwinden, fordert die grüne Nachwuchsorganisation. Und nennt Beispiele: So sei die Lüderitzstraße benannt worden nach Adolf Lüderitz, „dem ersten deutschen Landbesitzer in Namibia“, oder die Moltkestraße getauft nach dem Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke, der starker Befürworter der deutschen Kolonialexpansion und brutaler Kriegsführung gewesen sei.

,,Straßennamen, die nach Rassisten benannt sind oder einen anderen diskriminierenden Kontext haben, haben in Mülheim nichts zu suchen, da wir ein vielfältiges und offenes Mülheim wollen“, begründet Philipp Hoffmann, Sprecher der Grünen Jugend, die Kampagne.

Grüne Jugend Mülheim kritisiert: Zu viele Straßen nach weißen Männern benannt

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Auch, dass die meisten Straßen die Namen weißer Männer tragen, nervt die Grüne Jugend. Sie bringt alternative Namensgeberinnen ins Gespräch, etwa Hannah Arendt oder die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Personen mit Zuwanderungsgeschichte oder People of Colour sollten gewürdigt werden, findet der grüne Nachwuchs: ,,Geschichte wurde nicht nur von weißen Männern geschrieben“, so Grüne-Jugend-Sprecherin Sina Starke.

Aus der Lüderitzstraße sollte die Hannah-Arendt-Straße werden, findet Christina Dimoudas von der Grünen Jugend Mülheim.
Aus der Lüderitzstraße sollte die Hannah-Arendt-Straße werden, findet Christina Dimoudas von der Grünen Jugend Mülheim. © Grüne Jugend Mülheim

Mit selbst geschriebenen Pappschildern sind die jungen Leute durch Mülheim gezogen, haben sich unter Straßenschildern fotografiert, die sie gerne geändert hätten: Ruth-Wendland-Straße statt Koloniestraße, Rosa-Parks- statt Alvenslebenstraße, Olympe-de-Gouges- statt Moltkestraße, Hannah-Arendt- statt Lüderitzstraße, Curie- statt Adolfstraße.

Gegen Rassisten und Nazis im Straßenbild

Einen besonderen Auslöser für die Kampagne gebe es nicht, teilt die Grüne Jugend auf Anfrage mit. „Dass Rassisten und Nazis im Straßenbild keiner Stadt etwas zu suchen haben, braucht in unseren Augen keinen aktuellen Anlass.“ Im Juni sei man das Thema angegangen und habe das Mülheimer Straßenverzeichnis durchforstet. „Wir haben die Initiative an die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen herangetragen und sind dort auf Zustimmung gestoßen.“

Bei einigen Mülheimer Grünen mit langjähriger politischer Erfahrung dürfte es klingeln. So erinnert sich etwa Axel Hercher, Fraktionssprecher in der BV 2, dass die Grünen vor allem in den achtziger Jahren etliche Umbenennungen beantragt haben. Die Liste ist lang. Teils ging es um genau dieselben Straßen, die jetzt wieder im Fokus stehen: Fritz-Thyssen-Straße, Alvenslebenstraße, Lüderitzstraße und viele mehr.

Mehrere Vorstöße waren Mitte der neunziger Jahre erfolgreich: Aus dem Adolf-Stöcker-Platz und der Adolf-Stöcker-Straße in Dümpten wurde nach einem Beschluss der BV 2 vom 9. November 1995 der Anne-Frank-Platz, gleichzeitig wurde die Dr.-Karl-Peters-Straße in Winkhausen umgetauft in Elisabeth-Selbert-Straße. „In dem Zusammenhang wurde jedoch auch festgelegt, dass es keine weiteren Umbenennungen geben sollte“, so Axel Hercher. Im Dezember 1996 entschied noch die BV 1, dass die Carl-Diem-Straße künftig An den Sportstätten heißen sollte.

Bezirksvertretung muss über Umbenennung entscheiden

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Über eine Namensänderung entscheiden muss die zuständige Bezirksvertretung. „Die Stadtverwaltung redet allerdings auch ein deutliches Wörtchen mit“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. „Denn jede Straßen-Umbenennung bringt viele Kosten mit sich, für die Stadt, aber auch für die privaten Anlieger.“

Die Umbenennungen des Adolf-Stöcker-Platzes und der Dr.-Karl-Peters-Straße wurden am 31. Mai 1996 im Mülheimer Amtsblatt bekannt gemacht. Dort heißt es zu den finanziellen Auswirkungen: „Wird eine amtliche Lagebezeichnung aus ordnungsbehördlicher Sicht geändert, werden die durch den Oberstadtdirektor der Stadt Mülheim an der Ruhr ausgestellten Dokumente (Personalausweise, Kfz-Papiere) kostenfrei geändert.“

Die Debatte um Straßennamen in Mülheim keimt immer mal wieder auf. Im Juni 2011 beauftragte der Gleichstellungsausschuss die Verwaltung, ein Konzept für die Benennung von Mülheimer Straßen und Plätzen nach dem Gleichstellungsaspekt zu erstellen – mit Blick auf weibliche wie männliche Namen. Die Verwaltung verwies in jener Sitzung auf einen Beschluss des Ältestenrates von 1996, wonach Umbenennungen nicht zugelassen werden sollten, es sei denn aus schwerwiegenden Gründen.

Namensänderung für Fritz-Thyssen-Straße scheiterte

Wenig später, im März 2012, scheiterte in der Bezirksvertretung 2 ein Antrag der Partei Die Linke, die angeregt hatte, die Fritz-Thyssen Straße umzubenennen in Martha-Hadinsky-Straße. Zu Begründung hieß es, Thyssen sei finanzieller Förderer der NSDAP gewesen und habe Hitler zum Aufstieg verholfen. Stattdessen solle man eine Mülheimer Widerstandskämpferin gegen den Faschismus würdigen. Der Antrag der Linken wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, zugleich aber einstimmig beschlossen, den damaligen Leiter des Stadtarchivs, Dr. Kai Rawe, mit einer Recherche über Martha Hadinsky zu beauftragen, um gegebenenfalls künftig eine neue Straße nach ihr zu benennen.

Der jüngste Vorstoß der Mülheimer Nachwuchs-Grünen findet in der Mutterpartei viel Sympathie. Kathrin Rose und Fabian Jaskolla, Vorstandssprecher der Mülheimer Grünen, erklären, man unterstütze das politische Engagement der Grünen Jugend immer gerne, wenn dies gewünscht und/oder hilfreich sei. „Besonders schätzen wir aber, dass die jungen Menschen ihre eigenen Ideen entwickeln und voranbringen.“ Und: „Das Anliegen, kritische Straßennamen umzubenennen, begrüßen wir generell.“

Umbenennung zieht auch Kosten nach sich

Wenn man eine Umbenennung ernsthaft durchsetzen wolle, „dann bräuchte man allerdings auch einen Deckungsvorschlag“, ergänzt Kathrin Rose. Dass mit der Umbenennung von Straßen auch Kosten für die Stadt und die Anwohner verbunden sind, etwa durch Änderung von Adressen, ist auch der Grünen Jugend bewusst. „Diese Kosten sollten es aber wert sein, wenn man dadurch Diskriminierung aus dem Stadtbild verbannen kann.“

Bei welchen Straßen sich die Mülheimer Grünen am Ende wirklich für eine Umbenennung einsetzen, und welche Alternativvorschläge sich durchsetzen, hänge natürlich von den weiteren Beratungen in der Fraktion sowie mit dem Koalitionspartner CDU ab, so die Grüne Jugend. „Wir werden auf jeden Fall Druck machen.“