Mülheim. Wassergeburt, Gebärhocker oder Kaiserschnitt – die Möglichkeiten bei einer Geburt sind vielfältig. Welche Methoden wählen Mülheimer Frauen gerne?
Die Geburt ist einer der aufregendsten Momente im Leben einer Frau. Verständlich, dass sich da werdende Mütter bereits frühzeitig die Frage stellen, welche Art von Geburt für sie denn wohl die richtige ist. Die Liste ist lang: Entbindungsbett, Wassergeburt, Kaiserschnitt – es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, ein Kind auf die Welt zu bringen. Wir haben nachgeforscht und versucht herauszufinden, was die aktuellen Geburtstrends in Mülheim sind.
In der Frauenklinik des Evangelischen Krankenhauses haben im vergangenen Jahr 767 Mütter entbunden. Grazyna Stawicki, leitende Hebamme im Kreißsaal der Frauenklinik, war bei einigen davon mit dabei. Sie weiß: „Eine Geburt ist eine sehr individuelle Sache, jede Frau reagiert unterschiedlich auf die Wehen.“ Während der Geburt werden daher gerne verschiedene Methoden ausprobiert, um eine zu finden, welche für die Frau in dem Moment am angenehmsten ist.
Wunsch-Kaiserschnitte gibt es in Mülheim kaum
Statistiken über die gewählten Geburtsarten werden nicht geführt. Über die Anzahl der Spontangeburten und Kaiserschnitte hingegen schon: „Fast alle Frauen wollen spontan entbinden“, verrät Stawicki. Und trotzdem nimmt im deutschlandweiten Trend die Kaiserschnitt-Rate über die vergangenen Jahrzehnte zu, 2020 lag sie bei 29,7 Prozent.
In Mülheims Evangelischem Krankenhaus verhält es sich ähnlich: 2021 haben hier 32 Prozent der Frauen mit Kaiserschnitt entbunden. „Wunsch-Kaiserschnitte haben wir hier aber wirklich selten“, so Stawicki. Und das sei auch gut, denn: „Ein natürlicher Geburtsvorgang ist immer besser – einfach, weil dies der natürliche Weg ist. Außerdem birgt eine Operation immer Risiken“, weiß Andrea Schmidt, Chefärztin der Mülheimer Frauenklinik.
Jede vierte Frau in Mülheim gebärt mit PDA
Wie sieht es mit der Periduralanästhesie aus? In der Mülheimer Frauenklinik griffen 26 Prozent der werdenden Mütter im Jahr 2021 zu der regionalen Betäubung gegen Schmerzen während der Geburt. Was viele nicht wissen: Die PDA kann immer genommen werden. Wie weit der Muttermund offen ist, sei irrelevant, weiß Schmidt. „Vielen Frauen tut es für den Kopf einfach gut, zu wissen, dass sie die Möglichkeit einer PDA haben – ohne diese am Ende in Anspruch zu nehmen“, erzählt Stawicki aus den Erfahrungen der vielen Geburten, die sie bereits begleitet hat.
Gerne zeigt sie den schwangeren Frauen den Kreißsaal bereits Wochen vor der Geburt. So ist er bei der Geburt selbst nicht mehr fremd und die Frauen fühlen sich wohler. Was Stawicki zu Beginn der Geburt gerne rät: „So lange wie möglich bewegen – so lockert sich alles und das Kind rutscht langsam runter.“ Und das auch ruhig mal außerhalb vom Kreißsaal: Treppenlaufen sei beispielsweise sehr effektiv.
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Entbindungsbett und Gebärhocker werden häufig gewählt
Im Kreißsaal selbst gibt es viele verschiedene Möglichkeiten: Entbindungsbett, Gebärhocker, Gebärwanne, Sprossenwand und noch mehr – die Auswahl trifft die werdende Mutter selbst. Hier jedoch einen Trend festzustellen, sei schwierig und vor allem auch gar nicht notwendig: „Unsere Philosophie in der Geburtshilfe ist, dass die Patientin selbst entscheiden kann, wie und wo sie sich wohlfühlt“, erzählt Schmidt.
Und doch: Viele Frauen entscheiden sich für das Entbindungsbett oder den Gebärhocker. Im Bett fühle man sich oft einfach am sichersten, weiß Stawicki. Außerdem ist das Entbindungsbett keine flache Liege, sondern ein Multifunktionsbett: Es ist an sämtlichen Stellen verstellbar und passt sich so dem Körper und den Wünschen der gebärenden Frau an. Verschiedene Positionen können hier eingenommen werden.
Eine Wassergeburt liegt nicht mehr so sehr im Trend
Auch der Gebärhocker wird gerne und häufig gewählt, er ist vergleichbar mit einem Toiletten-Sitz. Die Frau kann hier aufrecht und kontrolliert pressen. Ein Vorteil: Die Schwerkraft arbeitet mit. Außerdem ist der Hocker schön für Paare: „Der Partner kann seine Frau während der Geburt von hinten umarmen“, berichtet Schmidt.
Eine weitere Geburtsmethode: Die Sprossenwand, an der sich die Frau festhalten und im Stehen gebären kann. In den 2000ern sei die Wassergeburt sehr im Trend gewesen, erinnert sich Stawicki. Diese werde zwar heute immer noch ab und an gewählt, aber nicht mehr so oft wie früher. Die Idee der Wassergeburt: Frauen können sich in der warmen Badewanne besser entspannen. „Doch auch hier ist das wieder eine individuelle Sache“, weiß Stawicki. „Wer sich zu Hause im Wasser nicht wohlfühlt, wird das bei der Geburt erst recht nicht.“
Rat von Mülheimer Hebamme: Nicht zu viel im Voraus planen
„Jede Frau hat eine andere Schmerztoleranz, jede fühlt sich woanders wohl. Eine Frau soll während der Geburt nur auf ihren eigenen Körper hören“, sagt Stawicki. Und am besten vorher nicht zu sehr planen, wie die Geburt ablaufen soll – dann stünde sie sich nur selbst im Weg. Hebammen wie Stawicki sind während der gesamten Geburt für die werdenden Mütter da: „Wir verhalten uns ein bisschen wie eine Mutter für die Frauen, stehen ihnen zur Seite und versuchen, die Ängste zu nehmen.“
Eine weitere ihrer Aufgaben: Anregungen für neue Positionen während der Geburt geben – denn die Möglichkeiten sind vielfältig: „Es gibt nichts, was wir nicht anbieten“, so Schmidt. Welche der verschiedenen Geburtsmethoden nun aber gewählt werden sollte, das kann keine Hebamme entscheiden: Die werdende Mutter soll ganz auf ihr eigenes Körpergefühl hören – natürlich unter Betreuung der Hebamme.
Einen Rat hat Stawicki aber trotzdem: „Wichtig ist, dass die Frauen die Geburt einfach auf sich zukommen lassen, nicht zu viel planen und sich auch auf Neues einlassen.“ Denn am Ende kommt es eh meistens ganz anders, als zuvor gedacht.
Chefärztin empfiehlt Vorbereitungskurse
Das Evangelische Krankenhaus bietet Geburtsvorbereitungskurse an, eine Übersicht gibt es auf der Website der Frauenklinik unter https://evkmh.de/kliniken-zentren/kliniken/muelheimer-frauenklinik-geburtshilfe/elternschule.
Die Kurse bieten wertvolle Tipps für die Geburt. Andrea Schmidt legt allen werdenden Eltern den Besuch eines solchen Kurs ans Herz, um sich mental auf die Geburt vorzubereiten und Ängste zu überwinden. „Der persönliche Kontakt zu Hebammen und der Austausch mit Frauen in derselben Situation ist sehr wichtig“, so Schmidt.