Mülheim. Die Premiere des Stückes "Der Müll, die Stadt und der Tod" wird in vielen Zeitungen diskutiert. Von einem Skandal spricht niemand.

SZ: „Wie ein Prolog diskutiert das Stück, ob man mit Kunst dem Holocaust gerecht werden kann. [...] Wenn Roberto Ciulli an diesem fast vierstündigen Abend drei Werke unter dem Titel 'Fassbinder' vereint, gilt sein Interesse dem Dramatiker, nicht der öffentlichen Erregung.”

FAZ: „Der Satz 'Sie haben vergessen, ihn zu vergasen' ist dem Zwerg in den Mund geschoben, der Ausfall der Hure gegen einen Türken getilgt und der Schluss, in dem ihre Ermordung durch den rachsüchtigen Juden dem Zuhälter Franz untergeschoben, gekappt. Alles damit Fassbinder nicht aneckt. Der Regisseur als Resozialisierungshelfer.”

Frankfurter Rundschau: „Wäre Fassbinder nicht der große Kinoregisseur, wären seine Stücke längst vergessen. Auch die Mülheimer Produktion wird keine Fassbinder-Theaterrenaissance auslösen. Aber Roberto Ciulli und sein Team holen sehr viel aus den oftmals platten Texten heraus, meiden exzessive Gewalt und Sexdarstellungen, entwickeln eine traurig-poetische Reflexion menschlicher Kälte. Ob 'Der Müll, die Stadt und der Tod' ein antisemitisches Stück ist, fragt nach dieser Aufführung keiner mehr.

TAZ: „So werden die Klischees zur Karikatur, die niemanden mehr aufregen kann. Ciulli eliminiert auch Gewalt und Dreck aus Fassbinders Stück, die brutalen Szenen zwischen dem Zuhälter Franz B. und der Hure Roma B. werden steril und ohne Körperkontakt als dröges Lehrstück exerziert. [...] In Mülheim gelingt Ciulli immerhin klarzustellen, dass Fassbinder kein antisemitisches Stück geschrieben hat. Doch hat er es mit spitzen Fingern angefasst und weicht in der Verfremdung dem heißen Kern des Stücks doch nur aus.”

Ruhr Nachrichten: „Es war als 'Nutten-Schnulze' und 'antisemitisches Schmierstück' geschmäht worden. Es ist weder das eine noch das andere, sondern in der sensiblen Regie Roberto Ciullis und der klugen Dramaturgie Helmut Schäfers eine tief bewegende, fast vier Stunden dauernde Kärrnerarbeit an der deutschen Geschichte.”

Der Tagesspiegel: „Wenn die Aufführung, oszillierend zwischen Lehrstück und Mummenschanz, etwas leistet, dann den Beweis, dass Fassbinder kein antisemitisches Stück geschrieben hat.”