Mülheim. Marco Hoppe (35) wollte als Blinder ein Bild malen. Wie dem Mülheimer dieser Wunsch ermöglicht wurde und wie Sie nun an das Bild kommen können.
„Ich war einfach gespannt, was für ein Krickelkrakel dabei entstehen würde“, sagt Marco Hoppe (35) selbstironisch. Er habe „einfach ins Blaue hinein etwas ausprobieren wollen.“ Herausgekommen ist dabei freilich mehr als eine Kritzelei. Das hat Hoppe auch seinen Vereinskameradinnen und -kameraden vom MHFC (Mülheimer Hobby- und Freizeit-Club zur Integration behinderter Menschen) zu verdanken. Die standen ihm bei der Entstehung des Werks nämlich zur Seite.
Mülheimer Bild entstand durch Zusammenarbeit von Sehenden und Nicht-Sehenden
Dass der Meister nicht immer selbst den Pinsel führt, ist in der Kunstgeschichte indes keine Seltenheit: Sei es Michelangelo, Albrecht Dürer oder auch Gerhard Richter: Prominente Künstler gestern und heute unterhalten oftmals Werkstätten mit tatkräftigen Gehilfen.
Heute würde man wohl eher von einem Team sprechen und als solches bezeichnet sich auch die Truppe, die den blinden Amateurmaler Hoppe bei der Entstehung seines Werks unterstützt hat. Denn der MHFC ist eigentlich eher ein Sportverein, doch dazu später mehr.
Die Idee mit den geometrischen Figuren entstand im Gespräch mit dem Vereinsvorsitzenden Detlev Schierok (66), unter dessen Regie schon mehrere Bilder im Vereinskontext entstanden sind. Die Kreise, Quader und Dreiecke wurden dann zuerst zum Teil von Hoppe, zum Teil von seinen Helfern auf die Leinwand gebracht. Der Clou dabei: Drei von Ihnen haben sich in Hoppes Lage versetzt und und sich die Augen verbunden. Die Kunstwerkstatt wurde somit auch zur Experimentierkammer: „Caecum Videre“ (Blindes Sehen) hat man das Bild treffend genannt, das durch Kooperation von Menschen mit und ohne Behinderung innerhalb von drei Stunden entstanden ist.
Der Mülheimer Marco Hoppe ist erst mit 17 Jahren erblindet
Der Künstler kennt selbst beide Erfahrungen. Denn die erste Hälfte seines Lebens konnte Hoppe noch sehen. Erste Probleme haben sich erst in der Jugend eingestellt. „Ich habe das nicht wahrhaben wollen“, sagt Hoppe, dem zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Diagnose gestellt wurde. Seine Sehstärke nahm von da an immer weiter ab. Mit 17 ist er dann fast vollständig erblindet: 0,25 Prozent seien ihm geblieben, genug für einige Hell-dunkel-Kontraste. Ursache ist die seltene Augenkrankheit Retinitis pigmentosa (RP), für die es noch keine Heilung gibt.
Für Hoppe war das eine schwierige Zeit, als er mitten in der Pubertät von seiner Schule an ein Internat mit Blindenschule wechseln musste. Wie man so einen Schlag verkraftet, hänge von der eigenen Einstellung ab, sagt Hoppe: „Man darf sich nicht hängen lassen.“
Labrador Only hilft Mülheimer im Alltag
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Der gebürtige Mülheimer ist 2015 zurück in seine Heimatstadt gezogen und wohnt heute allein in einer Wohnung im Zentrum. Im Alltag begleitet ihn der fünfjährige Labrador Only, auf den Hoppe ungern verzichten würde. „Ich habe den Eindruck, dass von Geburt an Blinde häufiger auch ohne Hund unterwegs sind. Wer von Geburt an blind ist, sieht die Welt eben noch einmal mit anderen Augen“, erklärt Hoppe. In Mülheim komme er alleine meistens gut klar. An die Adresse der Ruhrbahn hätte er allerdings noch einen Verbesserungswunsch: „Die Ansagen in den Bahnen und Bussen könnten um einiges verlässlicher sein.“
Der MHFC ist eine feste Größe in der Mülheimer Vereinslandschaft
Seit 2019 ist Hoppe im MHFC Vereinsmitglied. Der MHFC ist 2001 auf Initiative von Detlev und Marie Luise Schierok entstanden. Als deren Tochter Simone, die im Rollstuhl sitzt, bei den Pfadfindern nicht mehr mitmachen durfte – sie war mittlerweile erwachsen geworden – und die Schieroks vergeblich nach einem anderen Verein Ausschau hielten, beschlossen sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Das fehlende Sport- und Freizeitangebot für Menschen mit Behinderung haben sie also einfach selber geschaffen. Dazu zählt heute unter anderem: Schießen, Kegeln, Schwimmen und Boccia, letzteres in der eigens dafür ins Leben gerufenen IBL (Integrative Boccia Liga). Das Highlight im Veranstaltungsjahr ist aber traditionsgemäß die allsommerliche Fahrt an die italienische Adriaküste bei Rimini.
Für die Zukunft des Mülheimer Vereines werden dringend Ehrenamtliche gesucht
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An Vereinsmitgliedern herrsche weiterhin kein Mangel, im Gegenteil. Die Schieroks haben mit ihrem Verein offenbar eine Lücke in Mülheim geschlossen. Auch finanziell sei man dank Spenden und Sponsoren gut aufgestellt, einzig: Es mangele an Freiwilligen. Das einst zehn Betreuer zählende Team ist mittlerweile auf vier zusammengeschrumpft. „Wir suchen deswegen ganz dringend Ehrenamtliche, die Betreueraufgaben übernehmen können. Auch Fahrer werden gesucht“, so Vorsitzender Schierok.
Wer sich angesprochen fühlt, kann sich gern bei ihm melden. Das gleiche gilt für Interessenten an Marco Hoppes Bild, welches zum Jahreswechsel verlost wird. Wer teilnehmen möchte, sendet Name und Telefonnummer entweder an MHFC, Hustadtweg 43, 45475 Mülheim an der Ruhr oder per E-Mail an mhfc2001@web.de. Einsendeschluss ist der 31. Dezember.