Mülheim. Einst stellten sie sich mutig gegen das Nazi-Regime und bezahlten teils mit ihrem Leben. Wir stellen vier Widerstandskämpfer aus Mülheim vor.
Ihre Namen stehen auf einer Gedenktafel am Ratssaal auf Stolpersteinen, die im Stadtgebiet verlegt worden sind. Der Arbeitskreis Stolpersteine hatte ihre Biografien dokumentiert und auf der Internetseite des Stadtarchivs veröffentlicht. Es waren Mülheimer, die wider Willen und auf traurige Weise berühmt wurden, weil sie im Widerstand gegen Hitler ihrem Gewissen folgten und dies nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 oft mit ihrem Leben bezahlen mussten.
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Heute, da in unserer Gesellschaft extremistische Positionen wieder Platz greifen und sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung zu einer autoritären und antidemokratischen Grundhaltung tendieren, ist die Erinnerung an das Lebensbeispiel der Widerstandskämpfer für unsere Demokratie lebenswichtig.
Otto Müller
Auf der Spurensuche werden wir zum Beispiel in St. Joseph (Heißen) fündig. Dort erinnert ein Kirchenfenster an den 1870 geborenen und als Sohn des Volksschullehrers Gustav Müller und seiner Frau Henriette Valenthorn in Heißen aufgewachsenen Priester Otto Müller. Nach seinem Abitur an der heutigen Otto-Pankok-Schule studierte er Theologie und Volkswirtschaft. Als katholischer Priester setzte er sich für die soziale und politische Gleichberechtigung der Arbeiter ein. Deshalb engagierte er sich unter anderem in der Katholischen Arbeiterbewegung, zu deren westdeutschem Präses er aufstieg. Die Kölner KAB-Zentrale im Kettelerhaus wurde unter seiner Führung zu einem Widerstandhort gegen den Nationalsozialismus.
Als Teil des Kölner Kreises knüpfte er ab Mitte der 1930er Jahre Kontakte zu politischen und militärischen Widerstandskreisen und drängte auf einen schnellen Umsturz der NS-Diktatur. Nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, starb der magenkranke und fast erblindete Müller am 12. Oktober 1944 in der Haftanstalt Tegel.
Wilhelm Müller
Nach dem 20. Juli 1944 wurden auch die Mülheimer Wilhelm Müller und Günther Smend als Hitler-Gegner verhaftet. Der Sozialdemokrat und Gewerkschafter Wilhelm Müller wurde 1890 in eine Mülheimer Gerberfamilie hineingeboren. Er selbst verdiente seinen Lebensunterhalt später in Thyssens Maschinenfabrik, wo er in den 1920er Jahren den Betriebsrat anführte und für die SPD im Stadtrat saß. Als Partei- und Fraktionsvorsitzender der Mülheimer SPD verlor Müller nach der Machtübernahme Hitlers nicht nur seine politische Aktionsbasis, sondern auch seine berufliche Existenz. Doch Müller, Vater des 1925 geborenen Willi Müllers, der 1965 für die SPD in den Deutschen Bundestag einziehen sollte, blieb Sozialdemokrat, jetzt im Untergrund der politischen Illegalität.
Als Brotfahrer verdiente er nicht nur den Lebensunterhalt für seine in Styrum lebende Familie, sondern wurde auch zu einem Netzwerker und Informanten des sozialdemokratischen Widerstandes. Doch nach dem gescheiterten Umsturzversuch wurde Müller im Rahmen der „Aktion Gewitter“ im Sommer 1944 verhaftet und in Konzentrationslagern interniert, zunächst in Oranienburg, dann in Neuengamme. Dort starb er am 16. November, offiziell an den Folgen einer Lungenentzündung. Seiner Frau Margarete Hesselmann und seinem Sohn Willi hinterließ Müller in einem Brief die Vision eines „freien und friedlichen Europas der Völker, in dem wir als Sozialdemokraten ein gewichtiges Wort mitzureden haben werden.“
Günther Smend
Als zwölfjähriger Offizierssohn kam Günther Smend 1924 in die Garnisonsstadt Mülheim, wo seine Familie im Luisental 11 wohnte. Der sportliche junge Mann legte sich nicht nur beim Rudern auf der Ruhr in die Riemen, sondern wurde als Läufer 1930 Stadtmeister. Nach dem 1932 an der heutigen Otto-Pankok-Schule bestandenen Abitur trat er in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters und schlug eine Offizierslaufbahn ein. Smend machte beim Militär Karriere und stieg 1943 als Offizier in den Generalstab des Heeres auf.
Doch in Russland, wo hinter den deutschen Fronten Massenerschießungen stattfanden, musste Smend erkennen, dass die Wehrmacht im Namen Hitlers einen verbrecherischen Angriffskrieg führte. Diese Einsicht brachte ihn in Kontakt mit dem militärischen Widerstand um den Grafen von Stauffenberg. Der Versuch, seinen Vorgesetzten Generaloberst Kurt Zeitzler für die militärische Opposition gegen Hitler zu gewinnen, führte im August 1944 zu seiner Verhaftung und seiner Verurteilung zum Tode durch den von Roland Freisler geführten Volksgerichtshof. Am 8. September 1944 wurde der dreifache Familienvater in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Ernst Barnstein
Der Platz vor der Petrikirche trägt seit 1989 den Namen eines Mülheimer Hitler-Gegners, der das NS-Regime überlebte. Der 1891 in Krefeld geborene Ernst Barnstein kam 1922 als Pfarrer nach Mülheim. Hier betreute er als Seelsorger in der Evangelischen Altstadtgemeinde den Bezirk Stadtmitte. Aufgrund seiner regimekritischen und gegen die Judenverfolgung gerichteten Predigten in der Petrikirche und seiner sich dem Nationalsozialismus entziehenden kirchlichen Jugendarbeit und Vikars-Ausbildung wurde Barnstein regelmäßig von der Geheimen Staatspolizei observiert, verhört und verhaftet.
Er gehörte zur 1934 formierten Bekennenden Kirche, die sich im Gegensatz zu den Deutschen Christen dem weltanschaulichen Gleichschaltungsdruck des NS-Regimes widersetzte. Nach dem Kriegsende stand Pastor Barnstein bis 1961 als Superintendent an der Spitze des Evangelischen Kirchenkreises. 1975 ist er in seiner Wahlheimat Mülheim gestorben.