Mülheim. Mülheimer Betriebe suchen Auszubildende, junge Menschen suchen Ausbildungsstellen – trotzdem finden beide nicht zusammen. Warum eigentlich?

„Ich bringe vier schlechte Nachrichten mit“, erklärt Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, gleich zu Beginn seiner Bilanz zum Ausbildungsjahr 2022.

Zu dieser hat man sich in einem Konferenzraum der Schauenburg Maschinen- und Anlagen-Bau GmbH zusammengefunden. Der Zweig der Firma Schauenburg hat in diesem Jahr immerhin einen von zwei Ausbildungsplätzen im Bereich Industriemechaniker/in besetzen können.

Zahlenmäßig paradoxe Lage am Mülheimer Ausbildungsmarkt

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Das Beispiel verdeutlicht gut die insgesamt schlechte Lage am Mülheimer Ausbildungsmarkt. Jürgen Kochs vier Hiobsbotschaften lauten: „Es gab in diesem Jahr weniger Stellenangebote, weniger Bewerber, mehr unbesetzte Stellen und mehr unversorgte Bewerber.“

Im Detail sehen die Zahlen so aus: 2022 haben sich 944 ausbildungsplatzsuchende Jugendliche und junge Erwachsene bei der Agentur für Arbeit Mülheim gemeldet. Das sind 76 weniger als im Vorjahr. 76 Bewerber haben keine Stelle gefunden – 52 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugleich konnten von den 1067 Ausbildungsplätzen 136 nicht besetzt werden – rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Berufswünsche und Ausbildungsangebote in Mülheim passen nicht zusammen

Die versammelten Experten aus den Kreisen der Agentur für Arbeit, der Wirtschaft, dem Handel und den Gewerkschaften sprechen von einem ,Mismatch’: ein Begriff, der vielen eher aus der Online-Dating-Welt bekannt sein dürfte. Ein Mismatch entsteht da, wo zwei nicht zusammenpassen.

Was im Kontext Ausbildung nun damit gemeint ist, sind einerseits die Pläne und Wünsche der Bewerber und Bewerberinnen und andererseits die Angebote auf dem Ausbildungsmarkt – denn rein rechnerisch könnte jeder Ausbildungsplatzsuchende auch eine Stelle finden.

Fachkräftemangel ist in Mülheim ein ungelöstes Problem

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Für den Industriestandort Mülheim steht bei der Nachwuchsfrage viel auf dem Spiel, denn wenn Betriebe und Bewerber nicht zusammenfinden, kann das Problem des Fachkräftemangels kaum gelöst werden. Die Situation sei alarmierend, unterstreicht Koch.

Als Gründe sieht man besonders das vergleichsweise schlechte Image von Ausbildungsberufen. Das duale System habe „an Wert verloren“, so Koch. Viele Jugendliche und deren Eltern seien zu sehr fokussiert auf Bildungswege an Universität und Fachhochschule – dabei seien die Zukunftsperspektiven nach abgeschlossener Ausbildung oft besser als nach Bachelor- und Masterstudium.

Attraktivität von Ausbildungsberufen soll in Mülheim besser kommuniziert werden

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Heike Gnilka, Abteilungsleiterin Markt und Integration beim Jobcenter, will deswegen bei der Kommunikation ansetzen: „Wir müssen verstärkt mit den Eltern ins Gespräch kommen. Vielen ist die Vielfalt am Ausbildungsmarkt nämlich gar nicht bewusst.“ Viele Chancen würden einfach nicht genutzt.

Wer selbst noch nach einem Ausbildungsplatz sucht, kann sich übrigens auch jetzt noch bewerben: Freie Stellen gebe es genug, heißt es.