Mülheim. Pfarrer Christoph Pfeiffer hat für die Straßen-Ausstellung KunstRaus Mülheimer Gesamtschüler gebeten, ihre Gedanken kreativ auszudrücken.
Suzan kann die Bilder der Frauen aus dem Iran nicht vergessen, die sie auf Tik Tok gesehen hat. Alina kann nicht verstehen, wie sich zwei Länder bekriegen können, „die wie Brüder sind“. Suzan und Alina sind 15 und 14 Jahre alt und stehen wie viele Jugendliche vor der Frage, wo die ganzen Bilder im Kopf hin sollen, die Tik Tok, Instagram und die ganz normalen Nachrichten täglich hineinspülen. Ihre Antwort: Sie haben ihre Gedanken gemalt.
Und das nicht im stillen Kämmerlein, sondern im Rahmen der neuen Weihnachtsausgabe von KunstRaus, dem gemeinsamen Kunstprojekt von Pfarrer Christoph Pfeiffer von der Evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn und Andreas Schmelzer von Greens Immobilien. Zur Erinnerung: Die beiden Kunstinteressierten hatten die Winterausgabe der Straßenausstellung vor zwei Jahren auf die Beine gestellt, als wegen der Corona-Pandemie der Nikolausmarkt ausfiel. Weil die Aktion so erfolgreich war, wird sie auch in diesem Jahr fortgesetzt. Allerdings stammen die Kunstwerke erstmals nicht von Künstlern der Gruppe „AnDeR“, sondern von Schülern der Gesamtschule Saarn.
Die Straßenkunst in Mülheim war eine Last-Minute-Aktion
„Es war etwas kurzfristig, ich habe erst im September angefragt“, gesteht Pfarrer Christoph Pfeiffer mit einem Lachen. „Aber ich wollte wirklich wissen, welche Gedanken und Gefühle die jungen Leute haben angesichts der vielen Krisen auf der Welt.“
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Der Pfarrer hat offenbar einen Nerv getroffen. Denn 60 Schülerinnen und Schüler aus den Klassen neun, zehn, zwölf und 13 haben sich spontan bereit erklärt, bei dem Projekt mitzumachen. „Viele sind in ihrer Freizeit in die Schule gekommen, um an ihren Werken zu arbeiten. Es war ein Riesenansporn, in so einem Rahmen auszustellen“, sagt Madlen Michler, die das Projekt als Kunstlehrerin leitet. Entstanden sind dabei Gemälde, Skulpturen, Drucke, Zeichnungen und Grafiken zum Thema Freiheit. „Es ist sehr viel zum Thema Frauenrechte dabei. Das hat mich selbst überrascht“, sagt sie.
Mühlheimer Gesamtschule: Viele kennen Krieg nicht nur aus dem Fernsehen
Eine ganz besondere Intensität bekommen die Werke dadurch, dass viele Schüler Krieg und Verfolgung nicht nur aus dem Fernsehen oder dem Internet kennen. „Wir unterrichten junge Menschen aus 42 Nationen. Viele Familien haben Fluchterfahrungen “, sagt Claudia Büllesbach, die sichtlich stolze Leiterin der Gesamtschule Saarn.
Suzans Familie stammt aus dem Nahen Osten, die 15-Jährige hat ihren Cousin im Krieg verloren. „Ich habe viel Mitleid mit den Menschen, die fliehen müssen“, sagt sie. Sie hat zwei Hände gezeichnet, die Ketten sprengen, und dabei an die Frauen im Iran gedacht. „Weil jede Frau es verdient hat, frei zu sein.“
KunstRaus in Mülheim Saarn startet im Dezember
Ein weiteres Bild zeigt einen Menschen, der eine Wasseroberfläche durchbricht und in einen tiefen Ozean sinkt. Fällt er oder schwimmt er? Das liegt im Auge des Betrachters. Auf einem anderen Bild sitzt eine Friedenstaube in einem knorrigen Baum, der die Form eines betenden Menschen hat. Eine Skizze auf Glas zeigt eine Moschee und eine Kirche und davor zwei Hände, die einander reichen.
Wann und wo
Insgesamt werden 13 Gemälde abfotografiert und großformatig auf Alu Dibond gedruckt. Die Tafeln werden überwiegend rund um die Dorfkirche aufgestellt und können bei einem Spaziergang erkundet werden. Eröffnet wird die KunstRaus-Ausstellung am 7. Dezember um 18 Uhr in der Dorfkirche. Es wird wieder Führungen und einen gedruckten Katalog geben.
Alina hat sich Michelangelos David als Motiv ausgesucht. Ihre Erklärung klingt fast poetisch. „Seine Körperhaltung ist mächtig, aber gleichzeitig hat er etwas Zartes. Das drückt die Verzweiflung aus, wenn zwei Länder Krieg führen, die sich nahe stehen“, sagt die Vierzehnjährige und meint den Krieg in der Ukraine. Ein Motto für die gesamte Ausstellung und einen gemeinsamen Wunsch hat Jolina (14) in ihrem Werk formuliert: „Peace for everybody“ steht auf ihrem Bild. „Weil jeder Frieden verdient.“