Mülheim. Viele Karstadt-Filialen sollen schließen. Das Team im Rhein-Ruhr-Zentrum Mülheim kämpft für sein Haus: „Angst bringt uns nicht weiter.“
Mittwochmorgen im Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum: Die Karstadt-Arkaden öffnen pünktlich um zehn Uhr, der stille Feiertag Allerheiligen dürfte der Belegschaft kaum Ruhe und Frieden beschert haben, denn die letzten Tage waren geprägt von schlechten Nachrichten. Der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof hat angekündigt, mindestens ein Drittel seiner Warenhäuser zu schließen. Es wird betriebsbedingte Kündigungen geben. Nur: Welche Filiale, welche Beschäftigten wird es treffen?
Ins Mülheimer Haus ist die Sorge zurückgekehrt, über die mögliche Schließung wird zwischen Regalen und Kleiderständern gesprochen. Die letzte Zitterpartie sei doch gerade mal zwei Jahre her, erinnert sich eine Frau, und eine Verkäuferin antwortet: „Wir sind das leider schon gewohnt. Aber wir müssen positiv bleiben - wir sind hier in Mülheim ganz gut aufgestellt.“ In allen Abteilungen herrscht an diesem Morgen lebhafter Kundenbetrieb, überall steht eilfertiges Personal auf der Fläche, ein Verkäufer geht auf eine zögerliche Kundin zu: „Kann ich helfen?“
Karstadt-Krise betrifft rund 230 Beschäftigte im Mülheimer Warenhaus
Auch interessant
Auch Andrea Grisail ist im Dienst und wirkt hoch motiviert. Sie ist langjährige Betriebsratsvorsitzende des Mülheimer Karstadt-Hauses, gehört dem Gesamtbetriebsrat an und der Verdi-Bundestarifkommission. Sie ist seit 1989 im Unternehmen tätig, sturmerprobt, und stellt klar: „Wir sind jetzt nicht depressiv gestimmt und brechen alle in Tränen aus. Das gibt es nicht. Angst bringt uns nicht weiter.“
Vielmehr sei die allgemeine Devise: „Jetzt erst recht!“ Rund 230 Köpfe zählt nach Angaben der Betriebsratschefin die Karstadt-Belegschaft im Rhein-Ruhr-Zentrum, die sie selber lieber „meine Mädels und Jungs“ nennt. Anfang 2015 waren es noch rund 40 Leute mehr. Längst nicht alle haben eine Vollzeitstelle, ergänzt Andrea Grisail, einige auch nur Zeitverträge. „Für sie ist die Unsicherheit, wie es weitergeht, noch größer.“
Alle zwei, drei Jahre ein neues Drama um die Arbeitsplätze
Doch der Mülheimer Standort sei gut und das gesamte Verkaufsteam mit Elan und Leidenschaft dabei, ihn noch weiter nach vorne zu bringen. Nun gehe es darum, diese Arbeitsplätze zu sichern, „mit einer Garantie, die nicht alle zwei, drei Jahre neue Dramatik bringt, denn das hält kein Sterblicher aus“.
Für alle, die länger zum Team gehören, inklusive der Betriebsratsvorsitzenden, ist es nun schon die dritte Insolvenz, die sie durchstehen müssen - nach der Arcandor-Pleite 2009 und dem Schutzschirmverfahren, das Mitte 2020 durchgeführt wurde. „Leider“, sagt Andrea Grisail, „haben wir eine solche Prozedur schon zwei Mal durchlaufen.“ Erst vor zwei Jahren hatte Galeria Karstadt Kaufhof den Vertrag als Ankermieter im Rhein-Ruhr-Zentrum verlängert und dort für große Erleichterung gesorgt.
Wann in der aktuellen Krise mit einer Entscheidung über einzelne Standorte zu rechnen sei, erscheint ihr noch völlig offen. „Wir wissen noch gar nicht, welche Art von Insolvenzverfahren angestrebt wird, wie lange unsere Sachverwalter brauchen, um einen Sanierungsplan zu erstellen. Aber massive Einschnitte sind angekündigt.“
Betriebsratschefin: Der Belegschaft klarmachen, dass es nicht an ihnen liegt
Auch interessant
Den Integrations- und Überleitungstarifvertrag mit Verdi hat die Konzernführung vor wenigen Wochen gekündigt. Er war nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof geschlossen worden. Damit gelte nun auch die Standort- und Beschäftigungsgarantie nicht mehr, erläutert die Mülheimer Betriebsratschefin. Im Gespräch mit ihren „Mädel und Jungs“ sei ihr Offenheit und Ehrlichkeit wichtig. „Man muss ihnen sagen, dass sie tolle Arbeit gemacht haben. Dass es nicht an ihnen liegt, wenn es Probleme gibt und ihre Arbeitsplätze schon wieder unsicher sind.“ Doch auch mit öffentlicher Kritik am Konzernmanagement möchte Andrea Grisail sich derzeit zurückhalten.
Nun gehe es darum, die Finanzierung des Insolvenzgeldes zu sichern. Weihnachtsgeld bekommen die Karstadt-Beschäftigten schon seit 2020 nicht mehr, ebenso wenig Urlaubsgeld. Um dem Konzern zu helfen, haben sie darauf sowie auf weitere Einkommensbestandteile verzichtet. Verdi beziffert den jährlichen Verlust für eine Verkäuferin in Vollzeit auf rund 5500 Euro.
„Ich glaube nicht, dass das Warenhaus tot ist“
Auch interessant
„Der Kompromiss wurde mit der guten Absicht geschlossen, dass der Konzern auf Vordermann gebracht wird“, sagt die Mülheimer Betriebsratschefin. „Aber dann kam Corona.“ Doch Hoffnung habe sie immer noch: „Ich glaube nicht, dass das Warenhaus tot ist. Unser großes Plus ist der menschliche Kontakt auf der Fläche.“
„Starker und wichtiger Standort“
Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) ist Ankermieter im Rhein-Ruhr-Zentrum (RRZ) und füllt dort eine riesige Fläche: Rund 40.000 qm Verkaufsfläche umfassen die Karstadt-Arkaden, etwa 120.000 qm Verkaufsfläche hat das Center insgesamt.
Mit Blick auf die angekündigten Filialschließungen des Warenhauskonzerns sind die Centereigentümer hoffnungsvoll, dass das Mülheimer Haus bleiben kann: „Wir sind zuversichtlich, da das RRZ für GKK ein starker und wichtiger Standort ist“, so ein Sprecher.
Was eine Schließung der Karstadt-Arkaden für das Rhein-Ruhr-Center bedeuten würde, darüber wolle man nicht spekulieren.
Nicht alle aus dem Team wollten den unsicheren Weg weiter mitgehen. Es verabschieden sich vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen, die noch keine emotionale Bindung an „ihr“ Karstadt-Haus aufgebaut haben, beobachtet Andrea Grisail. „Viele, die eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben, suchen sich so langsam etwas Neues.“