Mülheim. Die Mülheimer Theatergruppe „Ruhrorter“ wirft mit „Spuren“ einen Blick zurück auf ihre Produktionen. Die Besucher erwartet ein Dreifach-Erlebnis.

Die Mülheimer Theatergruppe „Ruhrorter“ spricht von einem Rückblick, der die Chance eröffnet, nach vorne zu schauen. Daher lautet der Titel zu ihrem aktuellen Projekt auch „Spuren. Zehn Jahre Ruhrorter – was ich von jetzt von hier aus vermisse“. Es geht dabei um „Wünsche, Visionen und Utopien des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft“. Treffpunkt für die Jubiläumsaktion ist die Georgstraße 4, ein weißes Jugendstilhaus.

In zehn Jahren haben die „Ruhrorter“, die am Theater an der Ruhr angedockt sind, jährlich je ein großes Theater- und ein Installationsprojekt realisiert. Dieser Vergangenheit widmet sich „Spuren“ in drei Teilen. Da ist zunächst die karg möblierte Wohnung in der Beletage der Georgstraße 4, die kuratiertes Archivmaterial bereithält. Auf Hinweistafeln zu den Exponaten verzichten die „Ruhrorter“, sie wollen ins Gespräch kommen mit den Besuchern. So deutet zum Beispiel Wanja van Suntum bei zwei ausgestellten Fotos auf den Geflüchteten Marvin Jasarević, der auf den Bildern Trompete spielt. Zeitgleich läuft auf einem Telefon aus den 70ern Marvins autobiografischer Roman „Die rosarote Plastiktrompete“.

Mülheimer Gruppe erzählt mit vielen audiovisuellen Mitteln ihre Geschichte

Auch interessant

Ein anderes Telefon liefert bürokratische Erläuterungen zum Themenkomplex Migration, Flucht, Verwaltung und Recht, um den sich alle Projekte der „Ruhrorter“ drehen. Ob beim Fernsehapparat mit laufendem Video oder neben dem Tablet auf einem gemütlichen Sofa – stets liegen Kopfhörer parat, die das individuelle Eintauchen in vergangenen Aufführungen ermöglichen. Nebenan – in einer Art Studierzimmer – liegt hauptsächlich schriftliches Archivmaterial parat.

Besucher informieren sich beim Projekt „Spuren
Besucher informieren sich beim Projekt „Spuren" über die Theatergruppe „Ruhrorter“, die es seit zehn Jahren in Mülheim gibt. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Auf audiovisuelle Eindrücke setzt der zweite Ort der Ausstellung im 2. Stock des nahe gelegenen Jugendzentrums. Hier herrscht eine ganz eigene Atmosphäre, heraufbeschworen durch ferne Musik und ein Stimmenmeer. Der erste Raum ist düster und fast leer – bis auf einige Mikrofone und Scheinwerfer, die um einen Laptop herum aufgestellt sind. Vier hochformatig postierte Bildschirme präsentieren in einem zweiten Zimmer bewegte Porträts – etwa von einem hübschen kleinen schwarzhaarigen Mädchen mit großen, dunklen Kulleraugen, das aus einem der Bildschirme auszubrechen versucht. Was für eine Intensität, wenn ihr Blick den Zuschauer trifft, das geht durch Mark und Bein.

Audiowalk führt durch Mülheimer Innenstadt – auch zum früheren Frauengefängnis

Auch interessant

Nach gut einer Stunde folgt als dritter Akt „der Hammer“ des Projekts, wie Adem Köstereli, Leiter der „Ruhrorter“, sagt: Beim Audiowalk läuft die Besuchergruppe mit blau leuchtenden Kopfhörern durch die Mülheimer Innenstadt zu ehemaligen Spielstätten der Theatergruppe wie etwa dem ehemaligen Frauengefängnis. Derweil erklingen Interviews mit einstigen Teilnehmenden. Wirklich bewegend, wenn die geflüchtete Rahad beim nächtlichen Gang durch einen sonst unzugänglichen Innenhof ihre Erfahrungen als 17-Jährige im Mülheimer Ausländeramt mit „viel, viel Bürokratie und Warten“ beschreibt.

„Das geht aus der Nase nicht weg!“, fasst ein Mann seine Erfahrungen im Asylheim zusammen. „Dieser unvergessliche Geruch“, der in die Kleider zieht, sodass alle davon träumen, später zu „glänzen wie ein Diamant“. Das sind die berührenden Momente im eindringlichen Audiowalk, die hängenbleiben und wirklich eine andere Sicht auf das Leben anderer und auf die Stadt eröffnen.