Mülheim. Seit 14 Tagen sichten Naturfotografen und Vogelkundler einen Fischadler in den Mülheimer Ruhrauen. Was hat das seltene Exemplar dorthin gelockt?

Imposant setzt der braungefiederte Vogel mit ausgestreckten Krallen, einer Spannweite von bis zu 1,70 Metern und seiner charakteristischen weißen Brust zur Landung an. Gemeinhin ist der Fischadler an den fischreichen Süßwasserseen in Mecklenburg-Vorpommern ein immer häufiger gesichteter Greifvogel. In Mülheim hat er dagegen Seltenheitswert. Seit 14 Tagen beobachten Vogelkundler den Gast deshalb in den Ruhrauen mit Gänsehaut.

Bleiben wird er hier leider nicht, kündigt Achim Gehrke, Experte im Naturschutzbund (Nabu) und in der Arbeitsgruppe Greifvögel, schon mal an. Die Saarner Ruhrauen sind erwartungsgemäß nur Zwischenstation auf seinem Weg nach Afrika. „Ich vermute, das ungewöhnlich warme Wetter hat dazu geführt, dass er etwas länger geblieben ist.“ Oder ihm mundet der Mülheimer Ruhrfisch gerade gut.

Mülheimer sind fasziniert von der gefährdeten Vogelart

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Doch eine solche Sichtung ist für Gehrke schon eine Besonderheit – „das habe ich in den vergangenen 15 Jahren nicht erlebt“. Häufiger kann man den Fischadler am Niederrhein etwa an den Krickenbecker Seen erspähen. Und noch aus einem anderen Grund bekommt man den Fischadler eher selten vor die Kamera: Zwar gingen seine Bestände derzeit wieder bergauf, als „gefährdet“ wird er in Deutschland aber immer noch eingeschätzt.

Manche gemeldete Sichtung genießt der Vogelexperte daher mit Vorsicht. Denn manchmal stellt sich im Nachgang heraus, dass es sich um einen Mäusebussard gehandelt hat, der allerdings eine deutlich kleinere Flügelspannweite von etwa 1,30 Meter hat.

Dass der gerngesehene Gast an der Ruhr noch ganz jung sein muss, macht Gehrke an der Färbung der Federn an seinem Schwanz fest – die haben einen weißen Rand: „Er ist etwa ein halbes Jahr alt“, schätzt er deshalb. Der Vogel könnte aus Deutschland stammen oder auch aus Skandinavien.

Warum Vögel manchmal auch Individualtouristen sind

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Schon einmal in jüngerer Vergangenheit ist ein Fischadler an der Ruhr gesichtet worden – wird Mülheim vielleicht schon als kulinarischer Geheimtipp und Raststätte unter Zugvögeln jenseits der „Touri-Route“ nach Afrika gehandelt? So weit will Gehrke nun nicht gehen. Ob der Jungvogel in den kommenden Jahren wieder bei uns landet, hänge auch davon ab, ob der Kleine es auch zu seinem Winterquartier in den Süden schafft.

Und: Fischadler gelten zwar als ungewöhnlich soziale Greifvögel, die etwa ihre Horste in Sachsen nah beieinander aufschlagen. Doch sind Vögel eben nicht nur in Gruppen unterwegs, sondern quasi Individualtouristen mit erlesenen ,Geschmäckern’. „Das wird bei Vögeln oft unterschätzt. Deshalb kann es sein, dass der Jungvogel sich Mülheim als Halt merkt“, meint Gehrke – oder auch nicht.