Mülheim. Erst Corona, jetzt die Energiekrise – Gastwirte in Mülheim haben es zur Zeit nicht leicht. Viele treibt aber noch ein ganz anderes Problem um.
Angesichts der explodierenden Energiekosten ist Sparen das Gebot der Stunde. Viele heizen weniger oder noch gar nicht, und uralte Spartricks, wie etwa der Einsatz von Kochkisten, werden wieder angewandt. Auch Einzelunternehmer überlegen, wie sie die Kosten bewältigen können – ohne dabei allzu große Umsatzeinbußen erleiden zu müssen. Und zuletzt muss der Unternehmer auch noch die Bedürfnisse seiner Kunden berücksichtigen – ein schwieriger Spagat.
Im besonderen Maße gilt das für das Gastgewerbe, wo bekanntlich der Kunde König ist; frieren oder vor verschlossenen Türen stehen lassen will man den eigentlich nicht. Dass man es trotzdem andenkt und zum Teil bereits umsetzt, zeigt, wie ernst die Lage für viele bereits ist.
Große Sorgen: Gastwirte fürchten, in die Verlustzone zu rutschen
So ergab eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands Dehoga, dass zwei von drei Betrieben aufgrund der hohen Kosten um ihre Existenz bangen. Fast jeder dritte Betrieb (29,6 %) befürchtet, 2022 Verluste zu machen. Für 2023 gibt das sogar jeder zweite Betrieb an. (Alle Zahlen beziehen sich auf Gastronomie- und Hotelbetriebe.) Und als wäre das nicht genug, stecken dem Gastgewerbe auch noch die coronabedingten Schließungen in den Knochen.
Jetzt wäre es also eigentlich an der Zeit, Geschäfte nachzuholen und die Türen der Restaurants und Kneipen weit zu öffnen – bevor die sich die Coronalage im Winter wahrscheinlich wieder zuspitzt.
So gehen die Mülheimer Gastronomen mit der aktuellen Energiekrise um
Uwe Pattalon, Betreiber des Mülheimer Burgerrestaurants The Hungry Poet, macht genau das Gegenteil. Sein Laden am Goetheplatz öffnet seit September nur noch an fünf Tagen pro Woche. Grund: zu hohe Energiekosten. Pattalon spricht deswegen auch nicht von Ruhe- sondern von „Energiespartagen“.
„Die Energiespartage sind erst mal Vorsorge, da es für die steigenden Stromkosten noch keine konkrete politische Lösung gibt und wir somit nicht wissen, wo die Reise hingeht. Acht Tage ohne Energieverbrauch im Monat können einen echten Unterschied ausmachen“, erklärte Pattalon gegenüber dem Onlineportal Der Westen.
Das war im September. Seinerzeit galt die Gasumlage noch als beschlossene Sache, und von der mittlerweile angekündigten Energiepreisbremse war noch keine Rede. Ob Pattalon die Energiespartage bald wieder abschafft, wird wohl maßgeblich von der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen abhängen.
Mülheimer Branchenvertreter mahnt schnelle Umsetzung der Energiepreisbremse an
Hier ist Tempo geboten, betont Jörg Thon, Chef im Haus Bürgergarten und zugleich Dehoga-Vorsitzender für Mülheim. „Die Beschlüsse sind gut. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Das muss jetzt möglichst schnell geschehen.“ Auch seien noch wichtige Detailfragen hinsichtlich der Kurzarbeit zu klären. Thon hofft, dass die Bundesregierung aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat: Die Corona-Hilfen seien längst nicht überall rechtzeitig angekommen.
Wenn es nach ihm ginge, würde Thon sein Haus Bürgergarten gern wieder an sechs Tagen öffnen. Aktuell sind es noch fünf. „Was fehlt, ist das Personal.“ Das sei in diesen Tagen schwer zu finden. Damit spricht der erfahrene Gastronom ein schwerwiegendes Problem der Branche an. Bei ihm sind die zwei Ruhetage also gar keine Sparmaßnahme.
Corona, Energiekrise, Personalmangel – eine ungünstige Gemengelage für Mülheimer Restaurantbetreiber
Was der Personalmangel konkret bedeutet, wird bei einem Besuch im Ratskeller deutlich. Hier ist nachmittags genau eine Servicekraft zugegen. Der trotz Stress gut gelaunte Jan Bäker (29) ist trotzdem gern zu einem kurzem Gespräch bereit. „Gerade jetzt fehlt das Personal. Dabei ist Weihnachten doch unsere Zeit. Hätten wir ausreichend Personal, würden wir gern wieder einen Ruhetag abschaffen. Die Gäste sind ja da.“ Hier würde man den steigenden Kosten also am liebsten mit steigenden Umsätzen begegnen. Auch das kann eine Strategie sein. Fürs Erste bleibt es im Ratskeller allerdings bei zwei Ruhetagen.
Eiscafé ist montags bis freitags geschlossen, bei Schönwetter geöffnet
Einen ganz anderen Weg geht man im etwas weiter südlich gelegenen Café Plati. Hier will man ab November gleich an allen fünf Werktagen schließen – wegen der Energiepreise? „Nicht unbedingt“, erklärt Eigentümer Christian Trübcher (41), „wir hatten immer schon überlegt, im Winter wochentags dicht zu machen. Die aktuelle Lage macht diesen Schritt aber sehr viel einfacher.“
Bei gutem Wetter wolle man aber spontan öffnen, dann aber nur für Take-away-Service. Das leuchtet ein bei einem saisonabhängigen Eiscafé, das viel stärker auf Laufkundschaft angewiesen ist als etwa der Ratskeller.
Kein Sparen auf Kosten der Gastfreundschaft: „Das ist doch hier das Wohnzimmer für meine Gäste.“
Es gibt aber auch Gastronomen, die sich von der aktuellen Lage scheinbar gar nicht beeindrucken lassen. Dazu gehört Dana Brettschneider (54), Inhaber der Kortum-Stube in der Mülheimer Altstadt. Zwar bleibt auch er vorerst bei zwei Ruhetagen, die auch hier noch von der Coronapandemie herrühren.
Die Energiepreise würden ihm aber nichts ausmachen. Und selbst wenn: „Das ist doch hier das Wohnzimmer für meine Gäste. Das muss gemütlich sein.“ Da könne er doch nicht die Heizung runterdrehen oder das Licht dimmen. Ein Kollege habe ihn neulich verdutzt gefragt, ob er seine Leuchtreklame denn nachts nicht abschalten wolle? Brettschneiders Reaktion: „Auf keinen Fall, das ist schließlich mein Aushängeschild.“
In die Zukunft blickt der Wirt optimistisch: „Wir haben Corona überstanden. Das hier schaffen wir auch.“