Mülheim. Im neuen Jahr sollen mehr Mülheimer als bisher das neue Wohngeld beziehen. Warum die Verwaltung die Bürgerentlastung auch mit Sorge sieht.

Mit rund 370 Euro Wohngeld monatlich will die Bundesregierung ab dem 1. Januar Mieter mit geringem Einkommen entlasten. Die Wohngeldreform soll außerdem noch von mehr Bürgerinnen und Bürgern beantragt werden können als bisher. In vielen Ruhrgebietsstädten sorgt das gut gemeinte Entlastungspaket III allerdings für Schweißausbrüche, denn Wohngeld wird bei der örtlichen Wohngeldbehörde bewilligt. Hier rechnet man auch mit wenigsten drei Mal so vielen Anträgen. Ist Mülheim dafür ausreichend vorbereitet?

Denn derzeit beziehen noch rund 2000 der rund 87.000 Haushalte in der Stadt das Wohngeld. Das sind etwa 2,2 Prozent, die durchschnittlich 186 Euro erhalten. Wie viele Haushalte unter den reformierten Bedingungen die Entlastung beantragen können, könne man jedoch nicht beantworten, teilt die Mülheimer Verwaltung auf Anfrage mit. Wie in benachbarten Ruhrgebietsstädten auch, spricht man dennoch bereits von einer möglichen Verdreifachung.

Drei Mal so viele Haushalte in Mülheim könnten vom Wohngeld profitieren

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Sie stützen sich dabei auf Angaben des Bundes. Denn dort geht das Bundesministerium für Wohnen und Bauen von deutschlandweit 600.000 Haushalten aus, die unter bisherigen Bedingungen einen Anspruch auf Wohngeld haben – also Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen. Ab Januar 2023 steigt ihre Zahl voraussichtlich auf zwei Millionen Haushalte und rund 4,5 Millionen Menschen, die einen Zuschuss zu den Wohnkosten erhalten können, weil ebenso andere Einkommensgrenzen betrachtet werden. So hat es das Bundesministerium bereits einkalkuliert.

Womit man dabei wohl weniger rechnete: Eine solche Verdreifachung wird die ohnehin beanspruchte Personalstruktur in den Ämtern deutlich belasten. Drei Monate dauert eine Bearbeitung – auch coronabedingt – heute schon in Essen. Ähnlich lang braucht man in Dortmund. Mehr Personal wäre dringend notwendig.

Verwaltung rechnet mit hoher Belastung der Sachbearbeiter

Etliche Kommunen suchen deshalb einen Ausweg, indem sie Mitarbeiter aus anderen Abteilungen der Stadtverwaltung vorübergehend umsetzen. In Witten plant man bereits, die Lücken auch mit Auszubildenden zu schließen. In Herne will man dagegen neu einstellen und Aushilfskräfte schulen.

Und auch in Mülheim geht man von einer starken Belastung der Sachbearbeiter aus: „Die Situation wird als kritisch empfunden“, heißt es aus dem Amt. Schon jetzt sind die Anfragen zum Wohngeld Plus offenbar so hoch, dass die Stadt auf ihrer Homepage darum bittet, „von telefonischen oder elektronischen Anfragen zum jetzigen Zeitpunkt abzusehen“.

Die bisherigen Überlegungen der Stadt sehen aber vor, neben möglichen Stellenaufstockungen ebenso Aushilfskräfte zu schulen und einzusetzen. Denn Mitarbeiter von anderen Ämtern oder Abteilungen abzuziehen, um sie als zusätzliches Personal einzusetzen, sei eben wegen jener kurzen Personaldecke schwierig. Ebenso fehlten qualifizierte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, um mit ihnen kurzfristig die Lücken schließen zu können.

Antragsteller müssen mit deutlich längeren Bearbeitungszeiten rechnen

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In Mülheim wie auch in vielen Kommunen rechnet man also mit deutlich längeren Bearbeitungszeiten – sie seien aufgrund der schwierigen Personallage unvermeidbar. Wie lang man künftig auf eine Bewilligung des Wohngeld Plus warten müsse, lasse sich aus Mülheimer Sicht derzeit nicht abschätzen.

Viele Ämter empfehlen deshalb für alle, die aktuell berechtigt sind, die Anträge schon vor dem Jahreswechsel zu stellen. Doch wer erst unter den neuen Bedingungen ein Wohngeld Plus erhält, wird dieses frühestens am ersten Januar beantragen können. Der Großteil der berechtigten Mülheimer Haushalte, die wegen der hohen Energiekosten auf ein Wohngeld angewiesen sind, wird folglich damit rechnen müssen, womöglich erst dann die Entlastung zu erhalten, wenn der eigentlich kritische Winter längst vorüber ist.