Mülheim. Bei einem Unfall verletzten sich Nataliya H. und ihr Mann schwer. Mit welchem Appell sich die Mülheimerin nun an Verkehrsteilnehmer wendet.
Es ist ein kühler, sonniger Februarnachmittag, Nataliya H. (50) und ihr Ehemann Jörg (66) sind im Auto auf dem Weg nach Essen. Kurz zuvor hatte die Mülheimerin ihre Schicht am Schalter einer Postfiliale beendet. „Wir waren beide gut gelaunt und haben uns unterhalten“, erinnert sich die gebürtige Ukrainerin zurück. Auf eine Ampel zufahrend habe ihr Mann leicht abgebremst, „er war schon immer ein vorsichtiger Fahrer“. Ganz plötzlich, so schildert es die 50-Jährige, sei ein „großer, dunkler SUV“ auf sie zugeschossen. „Jörg wollte noch bremsen, aber es war längst zu spät.“
Die beiden Autos krachen auf der B1 zusammen. „Der Airbag, das war wie eine Explosion“, sagt Nataliya H. noch Monate später, die Erinnerung ist lebhaft. „Das wünsche ich niemandem, wirklich.“ Sowohl sie, als auch ihr Mann erleben den Zusammenstoß bei vollem Bewusstsein. „Die Türen haben geklemmt, wir konnten nicht raus.“ In der Lage dazu wären beide wohl nur unter großen Schmerzen gewesen: Mehrfache Knochenbrüche an Rippen, Hand und Fuß machen neben starken Hämatomen im Nachhinein nur einen Teil der Diagnosen aus. „Mir kam es vor, als wären die Einsatzkräfte innerhalb weniger Minuten bei uns gewesen“, sagt die Mülheimerin. „Und sie haben uns sofort so eine Sicherheit gegeben, das war echt Wahnsinn.“
Nachrichten aus Mülheim – lesen Sie auch:
- Verstöße ohne Ende: So schlecht ging es den Auehof-Tieren
- Impfpflicht missachtet, Job verloren - die Bilanz in Mülheim
- Fake-Brief von Energieversorger Medl: Mülheimer wird stutzig
Nataliya H. und ihr Ehemann werden getrennt voneinander in Krankenhäusern untergebracht und behandelt. Sie im Mülheimer St. Marien-Hospital und er in der Essener Uniklinik. Als Beifahrerin ist H. etwas glimpflicher davon gekommen. Mit mehreren Rippenbrüchen und einer gebrochenen Hand darf sie die Klinik nach einer Woche verlassen. „Mein Mann musste drei Wochen bleiben, seine rechte Ferse war komplett zertrümmert und der Fuß dreifach gebrochen“, erzählt die 50-Jährige. Die erste Zeit in den eigenen vier Wänden sei keine einfache gewesen: „Ich war wirklich eingeschränkt.“
- Lesen Sie auch: Massenunfall in Mülheim mit acht Fahrzeugen: Drei Verletzte
Mülheimerin erhält Hilfe vom Opferschutz der Polizei
In dieser Phase sei ihr Florence Buttler vom Opferschutz der Polizei eine große Stütze gewesen. „Sie hat mir auch geholfen, das Treffen mit den Einsatzkräften zu organisieren.“ Denn, erzählt Nataliya H., es sei ihr ein inneres Bedürfnis gewesen, ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. „So bin ich einfach erzogen worden. Wie professionell die Einsatzkräfte waren, hat mich zutiefst beeindruckt.“ Etwa ein halbes Jahr nach dem Unfall besucht sie gemeinsam mit ihrer Mutter, die im April aus der Ukraine nach Deutschland geflohen ist, die Kräfte der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und der Polizei. „Das war schon emotional für mich, weil das noch mal alles hat aufleben lassen“, sagt H.
Auch interessant
Der Unfall, da ist Nataliya H. sich sicher, war eine Zäsur, „seitdem ist vieles anders“. Auch wenn sie das Geschehene verarbeitet habe, treffe sie eine Sache immer noch: „Dass der Unfallverursacher sich nie gemeldet hat, finde ich schade.“ Um eine Entschuldigung ginge es ihr gar nicht vorrangig, vielmehr um den menschlichen Austausch. Ob es Unaufmerksamkeit oder Ablenkung war, „wie es zu dem Unfall kommen konnte, wüsste ich schon gerne aus erster Hand“. Ändern könne sie daran nichts. „Seitdem denke ich aber häufig, dass viele Leute ihre Fahrtüchtigkeit kritisch betrachten sollten“, sagt Nataliya H. „Wir sollten auf uns und auf andere aufpassen.“