Mülheim. Seit ihr Mann starb, schmeißt Slavica Ivanović das Geschäft im „Am Kamin“ fast allein. Hilfe gibt’s von Freundinnen – und nun eine Auszeichnung.
- Seit Jahren wird das Restaurant „Am Kamin“ in Mülheim-Styrum als Familienbetrieb geführt
- Anfang Dezember starb Cvjetko Ivanović, Wirt und Gesicht des Lokals, an einer Corona-Infektion
- Seine Witwe Slavica wagte im Frühjahr 2022 den Neustart – und wird jetzt ausgezeichnet
Dieser Freitag ist ein ganz normaler Arbeitstag für die Styrumer Gastronomin Slavica Ivanović, der früh beginnt, spät aufhört und kaum einen Moment zum Durchatmen lässt. Doch zum Frühstück, das sie auf der Terrasse ihres Lokals „Am Kamin“ hergerichtet hat, gibt es heute ein Extra. Eine Auszeichnung und einen prächtigen Blumenstrauß.
Das beliebte Balkan-Restaurant auf der Oberhausener Straße wird in das Online-Portal „Gastro-Tipps“ aufgenommen, wo man - so steht es dort - „die Top-Adressen der Region“ finden soll. Die „Gastro-Tipps“ laufen in Kooperation mit mehreren renommierten Medien, darunter das „Handelsblatt“. Der Mülheimer Wirtin blüht jetzt ein Werbeschub, inklusive Filmporträt, über den sie sich freut, den sie aber auch fürchtet. Slavica Ivanović sagt: „Ich glaube, ich habe das verdient, weil ich weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt.“ Andererseits könnte der Andrang jetzt noch größer werden. Und dann?
Mülheimer Wirtin führt „Am Kamin“ nach dem Tod ihres Mannes alleine
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Sie schmeißt den Laden ja weitgehend alleine, ist Chefin, Köchin, Organisatorin für alles. „Am Kamin“ wird seit vielen Jahren als Familienbetrieb geführt, doch die letzte Zeit war tragisch. Wirt und Gesicht des Lokals war früher ihr Ehemann Cvjetko. Im Herbst hatte sich das Paar schon zurückgezogen, das Restaurant verpachtet, Anfang Dezember starb Cvjetko Ivanović an einer Corona-Infektion. Seine Witwe krempelte die Ärmel hoch, wagte im Frühjahr 2022 die Neueröffnung, mit einem winzigen Team.
Viel größer ist die Belegschaft seitdem nicht geworden, doch Redakteurin Alexandra Kreifelts, die für die „Gastro-Tipps“ in der Rhein-Ruhr-Region recherchiert, hat das Styrumer Restaurant überzeugt. Sie lobt die „Frische“ der Speisen, den großen persönlichen Einsatz, den sie wahrnimmt, und war auch nach einem Testessen von der Qualität des Servierten angetan: Piri Piri, Calamares und natürlich Ćevapčići habe sie probiert, sagt die Gastro-Expertin.
Hoffnung besteht, dass Slavica Ivanović mit Hilfe der neuen Auszeichnung endlich auch Servicekräfte findet und einen Koch, der sie entlastet - der vielleicht sogar in einigen Jahren das Lokal übernehmen möchte. Eine einzige Vollzeit-Mitarbeiterin hat die Wirtin an ihrer Seite, eine andere als Aushilfe, ansonsten unterstützen sie Familienmitglieder und Freundinnen.
„Am Kamin“: Freundin springt als „Notstopfen“ ein
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Als solidarischer „Notstopfen“ bezeichnet sich etwa ihre Freundin Michaela, die hauptberuflich in der Immobilienbranche arbeitet. „Ich komme oft zum Essen hierhin, und wenn viel zu tun ist, hüpfe ich mit rein.“ Slavica Ivanović ergänzt, sie habe die Freundin in akutem Stress auch schon mal aus dem Wellnessbad herbei telefoniert. Sie sei sofort gekommen.
Doch gerade an Wochenenden ist Gastronomie ein unberechenbares Geschäft, wer weiß, ob 30 Essen rausgehen oder 80? Eine Online-Stellenanzeige habe nichts gebracht, berichtet die Gastronomin. 500, 600 Leute hätten sie gesehen, zwei angerufen, niemand sich vorgestellt. Sie brauche dringend Verstärkung, ein funktionsfähiges Team. „Wenn ich mal krank werde, ist hier Schluss.“ Und gesundheitsfördernd ist Dauerstress in der Gastronomie sicher nicht.
„Kellnern ist ein Knochenjob, wird aber zu wenig wertgeschätzt“
„Gäste erwarten nicht nur eine gute Qualität des Essens, sondern sind manchmal auch undankbar“, hat Michaela inzwischen festgestellt. „Wenn mal ein Fehler passiert, haben manche kein Verständnis. Kellnern ist ein Knochenjob, wird aber viel zu wenig wertgeschätzt.“ Schleppen, laufen, sieben Stunden am Stück, bevorzugt an den Wochenenden, auch bei sommerlicher Hitze, darauf hätte kaum jemand Lust. Darum sei es so problematisch, Personal zu finden.
Zumindest mit hohen Temperaturen muss das Styrumer Team bald nicht mehr kämpfen, dafür stellt sich absehbar ein anderes Problem: Wenn es im Herbst und Winter auf der Terrasse zu kalt wird, fallen fast 50 Plätze weg. Spätestens dann ist für alle, die „Am Kamin“ essen möchten, Reservierung dringend zu empfehlen.