Mülheim. Seit vielen Jahren engagiert sich Johannes Kretschmann für St. Joseph in Mülheim-Heißen. Warum ihn das Kirchenjubiläum besonders berührt.
„Wir dürfen die Frohe Botschaft nicht nur verkünden. Wir müssen sie leben“, sagt Pfarrgemeinderat Johannes Kretschmann. Froh zugehen soll es denn auch am 3. September, wenn die Heißener Gemeinde St. Joseph mit einem Gemeindefest ab 12 Uhr den 125. Geburtstag ihrer gleichnamigen Kirche feiert.
Viele der etwa 200 Gemeindemitglieder, die Kretschmann, zum „harten Kern“ zählt, werden ihren Beitrag leisten, dass man an diesem ersten Samstag im September das erleben kann, was Gemeinde im besten Falle ausmacht: Gemeinschaft, Geselligkeit, Nahrung für Leib und Seele. Zudem können sich Gäste, die den Weg in den Heißener Ortskern an der Honigsberger Straße 388 finden, der U-Bahnhof Heißen-Kirche liegt gleich vor der Tür, auf eine gute Zeit freuen, in der nicht nur für ihr leibliches Wohl und dafür gesorgt wird, dass Kind und Kegel, bei Trödel, Spiel, Spaß und Spannung keine Langeweile bekommen.
Pfarrgemeinderat Kretschmann: St. Joseph ist für mich Heimat
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„Wir freuen uns auf den Kirchenchor von St. Mariae Geburt, der unsere Festmesse um 17 Uhr musikalisch gestalten wird“, schaut Johannes Kretschmann auf das Festprogramm. „Unser eigener Kirchenchor hat sich aufgelöst. Seine letzten verbliebenen Mitglieder haben sich dem Kirchenchor von St. Mariae Geburt angeschlossen“, berichtet Kretschmann.
Für den Heißener ist St. Joseph, wie er sagt: „Heimat!“ Hier ist er aufgewachsen und hat eine klassische katholische Ehrenamts-Karriere gemacht: Messdiener, Pfadfinder-Leiter und jetzt Pfarrgemeinderat. Als St. Joseph 1897 vom Kölner Weihbischof Hermann-Josef Schmitz eingeweiht wurde, war Heißen noch eine eigenständige Landbürgermeisterei, die zum Erzbistum Köln gehörte. Ein Ruhrbistum gab es damals noch nicht.
Auch St. Joseph im Mülheim ist geschrumpft: von 5000 auf 3500 Katholiken
Viele der damals 800 Katholiken aus St. Joseph (der irdische Vater Jesu ist Schutzpatron der Arbeiter und Handwerker) arbeiteten in einer der örtlichen Zechen: Wiesche, Humboldt und Rosenblumendelle. Zuwanderer aus Polen und dem Osten Deutschlands, die im Westen ihr Glück und das ihrer Familien suchten, ließen die Gemeinde stetig wachsen. 1970, als Heißen schon wieder zechenfrei war, gab es hier 5000 Katholiken. Bis 2006 blieb St. Joseph selbstständige Pfarrei. Seitdem gehört die inzwischen auf rund 3500 Mitglieder geschrumpfte Gemeinde zur Stadtpfarrei St. Mariae Geburt.
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Als Johannes Kretschmann dem damaligen Pfarrer von St. Joseph, heute wird die Gemeinde von Pastor Markus Kerner geleitet, in den 1980er Jahren mit seiner Kritik an einer zu gestrigen Gemeindearbeit konfrontierte, riet ihm dieser: „Kandidiere doch für den Pfarrgemeinderat und zeig, dass du es besser kannst.“
Das ließ sich Kretschmann nicht zweimal sagen: Eine gute ökumenische Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchengemeinde Heißen, die zum Beispiel in einem gemeinsamen Kreuzweg, einem gemeinsamen Martinzug und einer gemeinsamen Flüchtlingshilfe zum Ausdruck kommt, ein lebendiges und nicht nur finanziell segensreich wirkendes Schulpatenschaftsprojekt, ein offener Familienkreis, ein Mittagstisch und eine Kleiderkammer für Bedürftige, eine Pfadfinder- und eine katholische Frauengemeinschaft, sind für ihn der Beweis dafür, dass das oft totgesagte katholische Milieu doch länger lebt, als viele Untergangspropheten prophezeien.
Pfarrgemeinderat: „Kirche darf nicht Wasser predigen und selbst Wein saufen“
Aber der aktive Katholik Kretschmann ist weit davon entfernt, seine Kirche unkritisch zu betrachten. Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, nicht nur der sexuelle, sondern auch der machtbezogene Missbrauch, wecken in ihm den Heiligen Zorn. „Die katholische Kirche und ihre Bischöfe dürfen nicht länger Wasser predigen und selbst Wein saufen“, sagt Kretschmann.
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Aber er ärgert sich über Mülheimer Katholiken, die unter Hinweis auf den konservativen Kölner Kardinal Woelki aus ihrer Kirche austreten und nicht sehen, dass sie mit ihrem Schritt, dem liberalen Ruhrbischof Franz-Joseph Overbeck und vielen Katholiken, die in ihrer Kirche sozial segensreich wirken, den Boden entziehen.
Der Kölner Priester Franz Meurer, der in seiner Gemeinde Seelsorge und Sozialarbeit als zwei Seiten derselben christlichen Medaille praktiziert, ist für Kretschmann ebenso ein katholischer Hoffnungsträger, wie der in Heißen geborene und aufgewachsene Otto Müller (1870-1944), der als roter Ruhrkaplan, als christlicher Arbeiterführer, Pädagoge, Sozialwissenschaftler und als Widerstandskämpfer gegen Hitler nicht nur in Kretschmanns Augen „glaubwürdig war, weil er die Frohe Botschaft nicht nur predigte, sondern auch lebte.“ Wohl deshalb hat Müller St. Joseph auch in seinem Testament bedacht und ist heute in einem 1965 eingebauten Fenster der Heißener Kirche zu sehen.