Mülheim. Nach einer Woche mit neuem Pooltest-System herrscht auch an Mülheims Grundschulen weiter Chaos. Schulklassen müssen notgedrungen zu Hause bleiben.

Der Start der Mülheimer Grundschulen ins neue Jahr mit einem neuen Testsystem ist alles andere als reibungslos verlaufen. Das Versprechen des Landes, dass Schülerinnen und Schüler nicht unnötigerweise zu Hause bleiben müssen, wenn ein Mitschüler positiv getestet worden ist, lässt sich (noch) nicht einhalten.

Das Land hatte zu den Pooltests eingeführt, dass den Schülern immer gleich ein zweiter Test abverlangt wird. Sollte im Pooltest dann ein Schüler mit Covid-19-Erkrankung auffallen, soll so mit dem Einzeltest sofort herausgefunden werden, wer der Infizierte ist – und zwar so zügig, dass alle anderen Klassenkameraden am Folgetag nicht länger in Quarantäne verbringen müssen, sondern weiter den Unterricht besuchen können.

Selbst die Ergebnisse der Pooltests liegen nicht immer am selben Tag vor

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Soweit die Theorie. Die Praxis aber funktionierte in der ersten Woche nicht; die vom Land beauftragten Labore sind überfordert damit, nach auffälligen Pooltests schnell auch die Ergebnisse von Einzeltests zu ermitteln. Mit aktuell stark steigenden Fallzahlen könnte sich das Problem noch verschärfen, auch wenn Schulministerin Gebauer sich in Zuversicht übt, ebenso der Sprecher der Mülheimer Grundschulen, Andreas Illigen: „Natürlich“ habe er die Hoffnung, „dass es Startschwierigkeiten sind und es sich einspielt“.

Doch Illigen, selbst Rektor an der Schildbergschule, hat in dieser Woche viele Klagen von Kollegen anderer Schulen vernommen. Selbst die Ergebnisse der Pooltests wurden dabei nicht rechtzeitig übermittelt. In der Schildbergschule selbst lag am Freitag zu Schulbeginn nicht einmal das Pool-Ergebnis für eine vierte Klasse vor. Kurzerhand ließ die Schule die Viertklässler am Morgen noch einen Schnelltest machen, um sie nicht wieder nach Hause schicken zu müssen. Und doch sei das problematisch, sagt Illigen. Letztmals seien die Viertklässler am Montag getestet worden.

„Am Donnerstagabend habe ich um 21 Uhr noch betroffene Eltern angeschrieben“

Noch schlechter läuft es, was die Ergebnisermittlung der Einzeltests betrifft. Diese werden nur dann ausgewertet, wenn im Pooltest mindestens ein positiver Befund auftaucht. Auch wenn seine Schule bislang erst für eine Klasse einen Positivfall gemeldet bekommen habe, so hätten hierfür auch am Freitagmorgen noch keine Einzeltest-Ergebnisse vorgelegen, so Illigen. Was auch nicht funktioniere, sei die SMS-Benachrichtigung der Eltern, die die Labore leisten sollen. Das falle dann auf die Schulen zurück. „Am Donnerstagabend habe ich um 21 Uhr noch betroffene Eltern angeschrieben“, so Illigen. „Rund um die Uhr“ sei die Schule aktuell in dieser Sache unterwegs.

„Alle Schulleiter sind verunsichert, weil einfach zu viele Pools positiv sind, aber die Einzelergebnisse fehlen“, spricht der Schulform-Sprecher insbesondere für andere Schulen, bei denen in der vergangenen Woche mehr Tests positiv ausgefallen sind als an seiner Dümptener Schule.

Grundschule im Dichterviertel: Zwei Klassen mussten am Freitag zu Hause bleiben

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Einige Schulleiterinnen waren am Freitag auf Anfrage knapp angebunden. „Wir haben einen dicken Vertretungsplan“, hieß es da etwa zur Entschuldigung. Ein besonders eklatanter Fall ist der Redaktion von der Hölterschule bekannt. Dort ist am Montag der Pooltest für eine vierte Klasse positiv ausgefallen, auf Ergebnisse der Einzeltests wartete die Schule aber vergeblich. Am Mittwochmittag hieß es dann seitens des Labores, die Tests seien verloren gegangen. Nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Bezirksregierung konnten die Viertklässler am Donnerstag wieder zur Schule kommen, wurden erneut getestet. Ergebnis: Wieder ist der Pooltest auffällig, wieder lagen bis zum Schulstart am Freitag aber keine Einzeltest-Ergebnisse vor.

Stadtverwaltung hat keine Zahlen

Eine Übersicht über die Testsituation an allen Mülheimer Schulen hat die Stadtverwaltung aktuell nicht, auch weil das Meldesystem an der Stadt vorbei organisiert ist. Das berichtete am Freitag auf Nachfrage Peter Hofmann vom Schulamt. „Hinsichtlich der Ergebnisübermittlung der Labore an die Grundschulen hat sich die Situation wohl etwas verbessert, aber läuft immer noch nicht so rund, wie es sollte“, sagte er am Freitag.

Wegen der Überlastung könne das Gesundheitsamt auch kein Resümee für die erste Schulwoche ziehen und etwa benennen, wie viele der Pool-Testungen in den Grundschulen Corona-Infektionen aufgewiesen haben. Es bleibt so unklar, wie viele Infektionsfälle nachgewiesen wurden und wie viele Quarantänen daraufhin verhängt worden sind.

Jana Groß, Konrektorin an der Grundschule am Dichterviertel, bilanziert für diese Woche fünf Pooltest-Funde. „Auch heute konnten zwei Klassen nicht zur Schule kommen“, beklagt sie ebenfalls die verzögerte Auswertungen der Einzeltests. „Für uns ist die Situation schwierig und chaotisch“, sagt Groß, die sich in der kommenden Woche eine Klarstellung verspricht, unter welchen Umständen Kinder bei ausstehenden Pooltest-Ergebnissen doch unterrichtet werden können.

Scharfe Kritik am Land äußerte dieser Tage SPD-Landtagskandidat Rodion Bakum. Er forderte die Landesregierung auf, „alle Maßnahmen zu ergreifen, um ein sicheres und effektives Testsystem zu ermöglichen“. Die Landesregierung habe ausreichend Zeit gehabt, um sich auf das neue Testverfahren und die neue Omikron-Variante vorzubereiten. Nachbesserungsbedarf sieht Bakum auch bei den Antigen-Schnelltests für Lehrkräfte an Grundschulen und Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen, weil diese laut Paul-Ehrlich-Institut weniger sensitiv seien als die zuvor benutzten Tests.