Mülheim. Der neue Nahverkehrsplan soll das Liniennetz wirtschaftlich und im Angebot verbessern. Welche Lücken Mülheimer Bürger bereits aufgedeckt haben.

. Wie spart man zwei Millionen Euro und schafft dennoch ein besseres Angebot? Der neue Nahverkehrsplan für Mülheim ist eine zentrale Aufgabe, die Politik wie Bürgerschaft in diesem Jahr lösen müssen. Nachdem dieser im Dezember den Mülheimerinnen und Mülheimern öffentlich und online vorgestellt wurde, äußern sich Verbände bereits kritisch: Der Plan verfolge „rein ökonomische Ziele“.

In dieser Deutlichkeit bezieht der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Position. Denn er vermisst starke Angebote, die ein Umsteigen auf Bus und Bahn fördern und für neue Fahrgäste sorgen. Stattdessen reduziere der Entwurf der Stadt und der Ingenieurgruppe IVV dort, wo wenig Bedarf festgestellt worden sei.

Scharfe Kritik an der Kappung der Linie 104 und am unterirdischen Busbahnhof

Im Endeffekt aber führe dies nicht nur zur Unterbrechung von mehreren Direktverbindungen (Linien 122, 128, 131), sondern zu einer Verschlechterung des Nahverkehrs durch Umsteigezwänge, mögliche Wartezeiten durch verpasste Anschlüsse und somit zu längeren Reisezeiten, argumentiert der VCD.

In aller Deutlichkeit wirft der Verkehrsclub den städtischen Planern Wortbruch vor, denn noch 2015 hatte die Stadt Mülheim dem NRW-Ministerium als Nahverkehrsvorhaben unter anderem eine Beschleunigung der Straßenbahnlinie 104 sowie einen neuen zentralen Busbahnhof am Hauptbahnhof angegeben. Doch nun gilt die Kappung der 104 am Kahlenbergast als sicher und der Busbahnhof bleibe im umstrittenen Tunnel unter dem Hauptbahnhof.

„So sehen keine Maßnahmen einer zukunftsgerichteten Klima‐ und Verkehrspolitik aus“, urteilt der VCD. Und dürfte damit auf wache Ohren beim Selbecker Bürgerverein stoßen. Denn auch im äußersten Süden der Stadt sieht man sich vom Nahverkehr abgehängt, weil aus vormals vier Verbindungen pro Stunde nun effektiv nur noch zwei werden könnten.

Selbeck beklagt reduzierte Linien und Taktung

So rechnet es der Bürgerverein vor: Ins Gewicht fallen dabei die Streichung der Linie 753, die Umstellung der Linie 131, die als Linie V2 nur noch im Stundentakt bis Selbeck/Ratingen-Breitscheid durchfahren soll, sowie eine Linie V3, die die Linie 752 zwar ersetzt, aber dafür nicht alle Haltestellen anfährt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Taktfolge von 30 Minuten an den gemeinsamen Haltestellen der Linien nicht eingehalten werde, sondern zwischen mal 15 und mal 45 Minuten schwanke.

In Folge der Taktungen müssten Selbecker auch auf der Rückfahrt aus der Innenstadt wohl mit langen Reisezeiten auf der Linie V2 rechnen, wenn sie den Anschluss mit der Straßenbahn 102 verpassten. Der Bürgerverein befürchtet, die Mobilitätswende und Klimaziele würden nicht erreicht, weil nun mehr Selbecker wieder aufs Auto umsteigen könnten.

Lob für neue Verbindungslinie V3 in die Innenstadt

Lob hingegen erhält die neue Linie V3, die für eine schnellere Verbindung in die Stadtmitte sorge. Nur sollten aus Sicht des Bürgervereins jene Haltestellen beibehalten werden, die an Arbeitsstätten, Arztpraxen und Geschäften liegen wie das Fliedner-Dorf, Lehnerfeld (Saarner Kuppe) und Friedrich-Freye-Straße (Kloster Saarn).

Ähnlich fordert dies auch der Mülheimer VCD: Das Angebot des ÖPNV müsse sich stärker an den Bedürfnissen der Bürger ausrichten. Es müsse aber auch nach den Gründen für eine mangelnde Nachfrage suchen, damit mehr Menschen den Nahverkehr nutzten „und der Verkehr seinen längst überfälligen Beitrag zur Reduzierung von Umwelt‐ und Klimaschädigungen leiste“.