Essen/Mülheim. Die Polizei Essen/Mülheim will die sexuelle Gewalt gegen Minderjährige effektiver bekämpfen. Für die Behörde ist das eine Herkulesaufgabe.
Die Polizei Essen will Kinderpornografie und sexuelle Gewalt gegen die Jüngsten und Schwächsten künftig gezielter bekämpfen. Zu diesem Zweck hat die Behörde nach dem Vorbild des Einsatzes gegen die Clan-Kriminalität eine weitere sogenannte Besondere Aufbauorganisation eingerichtet. In der „BAO Herkules“ genannten Task Force sollen alle Kräfte und Erkenntnisse über Missbrauchstaten, Täter und Opfer gebündelt werden.
Der Name ist Programm: Es gilt als eine Herkulesaufgabe, diesen Verbrechen nachzugehen, sie aufzuklären, um die Kinder zu schützen und die pädophilen Peiniger möglichst dingfest zu machen.
„Das ist ein großes Thema, das uns auf Jahre beschäftigen wird“, machte Polizeisprecherin Sylvia Czapiewski am Donnerstag die Tragweite deutlich. Das Team der BAO Herkules unter der Regie von Kriminaldirektor André Dobersch habe bereits mit einer kleinen Besetzung die Arbeit aufgenommen. Derzeit werden weitere Beamtinnen und Beamte sowie Regierungsbeschäftigte aus der Behörde an der Büscherstraße rekrutiert, die für ihre neue Aufgabe besonders fortzubilden sind.
Dobersch spricht von einer „unglaublichen Datenmenge“, deren Auswertung nur mit einer solch konzertierten Aktion wie einer BAO Herr zu werden sei. Jedes einzelne Foto, jedes Video sei auszuwerten, um die Kinder von ihrem „unfassbaren Leid“ und aus ihren Martyrien zu befreien.
Immer mehr registrierte Straftaten im Kontext Kinderpornografie
Wie viele Ermittler in der BAO schlussendlich arbeiten werden, sagt die Polizei nicht. Auch zu aktuell laufenden Missbrauchs-Verfahren darf die Behörde keine Angaben machen, so Czapiewski. Ein Blick in ältere Kriminalitätsstatistiken aber zeigt: Die Zahl der allein in Essen registrierten Straftaten im Kontext der Verbreitung, des Erwerbs, Besitzes und der Herstellung von Kinderpornografie ist in den vergangenen fünf Jahren stetig gestiegen: Von 23 auf 115 Delikte im vergangenen Jahr - bei einer Aufklärungsquote von 87 bis 100 Prozent.
Eine Erklärung für diese exponentielle Zunahme sind vor allem verstärkte Ermittlungen. Und dennoch kommt nur ein Bruchteil der Taten ans Licht. „Die meisten spielen sich nach wie vor im Dunkelfeld ab“, heißt es in einem Bericht der Essener Polizei. Die mit Abstand größte Gruppe der Verdächtigen sind Erwachsene. Aber auch Jugendliche, ja sogar Kinder, tauchen in der Statistik auf, wenn sie durch das Teilen krimineller Inhalte meist über ihre Smartphones in den Fokus von Ermittlungen geraten sind.
Die Bereitschaft, sexuellen Missbrauch in jedweder Form anzuzeigen, habe zwar zugenommen, ließe aber nach wie vor zu wünschen übrig, so die Polizei. Umso mehr seien verstärkte Ermittlungen vonnöten, um das unüberschaubare Dunkelfeld aufzuhellen.
Die Ermittlungen „sind ein Fass ohne Boden“
Schon jetzt sehen sich die Fahnder einer steigenden Flut riesiger Datenmengen mit kinderpornografischen Inhalten gegenüber, die sowohl durch eigene Ermittlungen als auch durch Hinweise von außen zusammengekommen sind. Alle Erkenntnisse sollen effektiv und möglichst schnell ausgewertet werden. Dafür brauchen die Ermittler einen langen Atem und Kondition, um nicht hoffnungslos abgehängt zu werden: Zunehmend höhere Übertragungsgeschwindigkeiten erleichtern weltweit den Tausch und gewerbsmäßigen Handel der Schreckensbilder zusehends.
Diesen ständigen Datenfluss im Blick zu behalten, ihn zu sichern und im besten Fall zu unterbinden, stellt die Polizei vor eine große Aufgabe, sagt Czapiewski: „Das ist ein Fass ohne Boden.“ Denn die Auswertung des kriminellen Materials in einem Fall liefere in der Regel immer wieder weitere Hinweise - zum Teil auch auf ganz aktuellen aktuellen Missbrauch, der nur dann zeitnah zu beenden ist, wenn Täter und Opfer möglichst schnell identifiziert werden, um ein Einschreiten auch tatsächlich möglich zu machen.
Doch nicht nur die strafrechtliche Verfolgung sei Aufgabe der BAO Herkules, sondern auch die Prävention. Übrigens auch auf Seite des staatlichen Arbeitgebers: Da die ständige Sichtung der digitalen Pornografie-Asservate eine besondere Belastung ist, wird den Mitarbeitern der Task Force psychosoziale Unterstützung angeboten.