Mülheim. Das Theater an der Ruhr zeigt in Mülheim Michael Endes „Momo“ in einer fantastisch-realistischen Bühnenfassung. Warum man das Stück sehen sollte.

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Das Stück passt ins Jahr 2021 – vielleicht noch mehr als in die 70er Jahre. In „Momo“, dem 1974 veröffentlichen Märchen-Roman von Michael Ende, geht es um die Zeit. Um Zeitersparnis und zunehmende Schnelllebigkeit. Im Theater an der Ruhr hatte jetzt eine Bühnenfassung Premiere, die das Hintersinnige der vielschichtigen Geschichte ebenso herausarbeitet wie das Abenteuerliche und Zauberhafte.

Geschichte ist hintersinnig, aber auch zauberhaft

Alles beginnt an einem friedlichen Ort, hier herrscht die Leichtigkeit des Seins. Menschen sitzen gut gelaunt zusammen, musizieren und singen – und heißen das Mädchen Momo – das hundertjährige Kind, das das Leben ganz alleine meistert – in ihrer Mitte willkommen. Doch bald schon wendet sich das Blatt. Die grauen Herren tauchen auf, wollen den Menschen die Zeit stehlen, überzeugen sie davon, dass es wichtig und richtig ist, Zeit einzusparen.

Wie das Leben sich für die arglosen Städter ändert, zeigt die Inszenierung (Regie: Theaterkollektiv Subbotnik und Maria Neumann) in heiteren bis gruseligen Szenen, die mit Projektionen, Licht- und Soundeffekten oder auch Bewegungsgeschwindigkeit arbeiten. Sie bringen den Zuschauern mal in ihrer Absurdität zum Lachen, manchmal bleibt dieses Lachen aber auch im Halse stecken – etwa, wenn Dialoge in Verhöre ausarten. Denn man erkennt: Das zeitoptimierte Leben der Menschen ist hektischer, stressiger, oberflächlicher und kälter geworden.

Es ist wichtig, die Zeit zu genießen

Die Regie hat die Masse der bösen grauen Männer auf einen einzigen grauen Mann reduziert, der die Menschen in der Manier eines gerissenen Unternehmensberaters vorrechnet, wo sie Zeit sparen könnten. Oleg Zhukov gibt ihn gekonnt als charismatischen, aber betrügerischen Anzugträger. Zunächst gewinnt er Fusi, den Friseur, für sich (Bekim Aliji spielt den Naiven und Erstaunten wunderbar), dann missioniert er nach und nach auch Gigi (Kornelius Heidebrecht, herrlich „im Flow“), Beppo und Nino (ausdrucksvoll: Martin Kloepfer, Elisa Kühnl).

Momo ist es, die den Menschen die gestohlene Zeit zurückbringt. Maria Neumann spielt sie facettenreich – unschuldig und entrückt, aber auch empört und entschlossen, etwas zu ändern an der fatal gewordenen Situation. Das zugleich realistische wie fantastische Märchen (Dauer: 1,5 Stunden) ist für ganz kleine Zuschauer textlich vielleicht zu anspruchsvoll, ganz sicher aber sehr gute Unterhaltung für größere und erwachsene Kinder. Denkanstöße gibt es reichlich. Die Zuschauer gehen mit dem Gefühl hinaus, dass Entschleunigung auch heute in unserer Realität Not tut und dass es wichtig ist, die Zeit zu genießen.

Weitere Termine: 06., 07., 13., 14., 20., 21., 22. Dezember 11 Uhr sowie 05., 12. und 26. Dezember (letzte Vorstellung) um 16 Uhr.