Mülheim. Die Nachfrage steigt auch in den Mülheimer Arztpraxen nach Antikörpertests. Ärzte erklären, warum diese zumeist medizinisch nicht sinnvoll sind.
Etliche Mülheimer fragen derzeit bei ihrem Hausarzt nach einem Antikörpertest, das bestätigt Dr. Stephan von Lackum. Viele, bei denen die Covid-19-Schutzimpfung schon länger her ist, wollten wissen, ob sie noch geschützt sind, oder ob jetzt eine Drittimpfung für sie nötig wäre. Der Geschäftsführer der KV in Mülheim verweist auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Ständigen Impfkommission (STIKO).
„Zunehmend haben wir in den Praxen Anfragen nach Antikörpertests“, bestätigt von Lackum und spricht von drei Begründungen, die er und seine Kollegen häufig hören. Die einen Patienten wollten grundsätzlich wissen, ob der Organismus auf die Impfung reagiert hat, eine weitere Gruppe möchte wissen, ob man schon eine dritte Impfung benötigt.
Aus Eigeninteresse kann man in Mülheim kostenpflichtige Antikörpertests machen lassen
Und bei einer dritten Gruppe sei ein Antikörpertest vermutlich wirklich medizinisch sinnvoll, so von Lackum und verweist auf eine Aussage der Uni Essen/Duisburg. Demnach könnte für manche Patienten eine dritte Impfung zeitnah, etwa nach vier Wochen, durchaus nötig werden. Von Lackum nennt als Beispiele Menschen, bei denen das Immunsystem künstlich unterdrückt wird, weil sie etwa ein Spenderorgan haben. Auch Tumorpatienten unter Chemotherapie zählten dazu, sowie chronisch kranke Menschen wie Rheumapatienten und Asthmatiker.
„Wir können in der Praxis zwar einen Antikörpertest durchführen, aber es gibt keine medizinische Notwendigkeit dafür, und auch keine Empfehlung vom RKI“, sagt Dr. von Lackum. Natürlich könne man als Patient aus Eigeninteresse einen Antikörpertest machen. Der sei aber auf jeden Fall selbst zu bezahlen. Über medizinische Ausnahmefälle, wobei die Kosten dann übernommen würden, könne der Arzt im Einzelfall entscheiden.
Ärztin erklärt: Es gibt bisher keinen Grenzwert, der den Impfschutz markiert
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Was Antikörpertests belegen können und wo die Grenzen liegen, das dürfte den meisten Interessierten nicht genau bekannt sein. „Der Antikörpertest sagt erst einmal nur aus, ob der Organismus sich überhaupt mit dem Virusprotein auseinandergesetzt hat. Entweder nach einer Impfung oder durch eine Infektion“, betont Britt Hornei, die leitende Krankenhaushygienikerin der Ategris GmbH. Zwar können Fachleute, je nach Test, anhand der unterschiedlichen Immunantwort des Körpers erkennen, ob sich Antikörper nach einer Impfung oder aufgrund einer Infektion gebildet haben, so Britt Hornei. Die Chefärztin in der Mikrobiologie an den Evangelischen Krankenhäusern in Mülheim und Oberhausen betont aber: „Mit dem Antikörpertest liegt kein Bewertungskriterium über eine belastbare Immunität vor.“
Was bedeutet, dass man anhand eines Antikörpertests nicht sagen könne „es liegt hier eine Immunität vor, die auch schützt.“ Zum Beispiel vor einer erneuten Infektion oder einem schweren Krankheitsverlauf. „Bisher kennen wir ja keinen Grenzwert, ab dem man mit Bestimmtheit sagen kann: Hier ist der Impfschutz gegeben“, erklärt die Fachärztin. Dazu, so Hornei, bedürfe es wohl noch größerer Studien.
Das RKI und die STIKO haben Empfehlungen für die dritte Impfung gegeben
Dennoch haben Antikörpertests ihre Berechtigung, so Britt Hornei. „Wir sehen ja, dass der Körper reagiert hat. Das ist bei Menschen unter immunsuppressiver Therapie wichtig.“ Wenn also das Immunsystem medikamentös unterdrückt wird, etwa bei Organtransplantierten, können Antikörpertests zu einer Entscheidung beitragen, ob eine zusätzliche Impfung angeboten werden sollte.
Für Antikörpertests ist eine Blutentnahme notwendig
Für Antikörpertests ist immer eine Blutentnahme nötig. Für den Test werden meist zwischen 20 und 40 Euro verlangt. Der PCR-Test (Abstrich) im Labor ist deutlich teurer, weil das Testverfahren aufwendiger ist.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein hat sich gerade in einer Pressemitteilung zu so genannten Antikörper-Schnelltests geäußert. „Diese Schnelltests sind aus medizinischer Sicht nur sehr begrenzt aussagefähig. Die Vielzahl an unterschiedlichen Testformaten mit unterschiedlicher Spezifität und Sensitivität lassen bisher keinerlei gesicherte Aussagen über die genaue Höhe des Antikörperwertes zu“, schreibt die KV.
Die KV rät: „Solche Antikörper-Schnelltest schaffen eher Verunsicherung als wirklich einen erkennbaren medizinischen Nutzen. Ebenso wie Impfungen gehören aus unserer Sicht auch entsprechende Beratungsleistungen einzig und allein in die ärztliche Praxis.“
Der Impfarzt Dr. von Lackum erinnert an die RKI-Empfehlung, dass alle über 70-Jährigen sechs Monate nach der zweiten Impfung ein drittes Mal geimpft werden sollten. Diese „Boosterung“, die Auffrischung, wird auch für Unter-70-Jährige mit Vorerkrankungen empfohlen. Die STIKO rät auch Bewohnern in Altenheimen sowie pflegendem und medizinischem Personal und anderen Mitarbeitern mit Kontakt zu Patienten und Menschen in Pflegeeinrichtungen dazu. „Für alle anderen – also unter 70 und Gesunde – gibt es vom RKI noch keine Empfehlung für eine dritte Impfung“, so Dr. von Lackum.
Wer bei der Covid-19-Schutzimpfung den Vektorimpfstoff Johnson & Johnson als Einmalimpfung erhalten hat, sollte sich laut STIKO zur Auffrischung frühestens nach vier Wochen mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech) impfen lassen, erinnert Dr. Stephan von Lackum. Auch, wer mit Astrazeneca geimpft wurde, sollte frühestens nach sechs Monaten mit einem mRNA-Impfstoff „geboostert“ werden, so von Lackum. Sofern man laut RKI-Empfehlung dann schon an der Reihe ist.