Mülheim. In Mülheims Innenstadt gab es Freitag einen Klimastreik der Fridays for Future. Hunderte Teilnehmer demonstrierten. Ihre Appelle waren drängend.
Dem Aufruf der Fridays for Future für einen symbolträchtigen Klimastreik nur zwei Tage vor der Bundestagswahl folgten am Freitagnachmittag gut 1000 Teilnehmer in Mülheim. Längst ist die Bewegung in Mülheim mehr als nur eine Demo von Schülerinnen und Schülern geworden. Omas und Opas for Future und viele Eltern fordern deutlich schärfere Klimamaßnahmen ein, als sie die großen Parteien bislang in ihren Programmen haben.
Mülheimer Klima-Experte: Es braucht keine Gesetze, sondern nur einen Paragrafen: Legt los!
„Wir haben bereits eine Generation verschlafen, um etwas gegen den Klimawandel zu tun“, mahnt der Klima-Experte Peter Winkelmann, Geschäftsführer des Mülheimer Climate Campus, in einer Ansprache am Ruhrbania-Hafenbecken, wo die Demo startet. Er fordert während der Veranstaltung auf, auch nach der Bundestagswahl Druck zu machen. „Es wird viel geredet, aber es fehlt echter Fortschritt gegen den Klimawandel“, sagt er. „Wir haben kein Erkenntnis-Defizit, sondern ein Handlungsdefizit.“
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Erneuerbare Energien müssten massiv ausgebaut werden. Würde das Potenzial aller elf Millionen Dächer allein in NRW für Solarenergie genutzt werden – „das wäre eine Fläche, so groß wie Düsseldorf und Dortmund zusammen“ –, produzierten die so viel wie alle Atomkraftwerke im Jahr oder alle Braunkohlekraftwerke in NRW. „Es braucht keine langen Klimagesetze, sondern nur einen Paragrafen: Legt los!“, so Winkelmann.
Schmählied gegen den CDU-Kanzlerkandidaten: „Armin Laschet, schläfst du noch?“
„Wir wollen die Bundestagswahl zur Klimawahl machen“, hatte Organisatorin Martina Cabezas im Vorfeld erklärt. Und für viele, die am Freitag den langen Zug durch die Innenstadt und Altstadt mitlaufen, ist es auch eine Richtungswahl. Regina Zwirna hat sich vor einiger Zeit den Omas-for-Future angeschlossen, weil’s um ihre Enkelin geht. „Aber wir bekommen die Auswirkungen doch auch schon zu spüren“, sagt sie: Hochwasser, Trockenheit, Waldbrände. Ihr Plakat spricht Bände: „Der Klimawandel bedroht die Existenz.“
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Politische Empfehlungen will sie offiziell nicht aussprechen, für sie ist aber klar, wem sie die Stimme gibt. Für etliche Demonstranten der Bewegung offenbar auch: „Armin Laschet, schläfst du noch? Hörst du nicht die Säge an deinem Stuhl“, skandieren vor allem die Jungen in der vordersten Reihe – frei nach „Bruder Jakob“.
Schon heute seien die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren. „Egal welche Parteien demnächst an der Regierung sein werden, wir brauchen von ihnen konkrete und konsequente Maßnahmen, um die Klimaerhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, differenziert die Organisatorin Cabezas. Nur so könne es eine lebenswerte Zukunft für alle geben.
Protestler fordern: Kurzstreckenflüge nur für Insekten
Von den Mülheimer Parteien sieht man manche Mitglieder privat mitlaufen, wenn auch alle – außer einer Partei, die MLPD – Rücksicht auf die Bitte der Klima-Bewegung nehmen, nicht offen Parteiwerbung zu betreiben. Andreas Preker-Frank ist etwa dabei. Von seinem ironisierenden Plakat „Klimadiktatur jetzt“ hat er die Parteiwerbung aber bewusst abgetrennt.
Andere fordern: Kurzstreckenflüge nur für Insekten. „Ich habe einen kleinen Sohn. Es ist kurz vor knapp“, sagt die besorgte Frau mit dem Plakat auf einem Fahrrad. In der Altstadt gibt’s einen kurzen Sitzstreik, danach wird gesprungen – „wer nicht hüpft, ist für Kohle“.
Und wieder andere greifen das Thema künstlerisch auf: Die „Müllviecher“ vom Theater an der Ruhr sind skurrile Kreaturen, gebastelt aus Abfällen. „Wir müssen aufhören, so viel zu konsumieren und weniger Müll produzieren“, verrät TAR-Geschäftsführer Sven Schlötcke die kreativ verpackte Botschaft.
Die Demo bleibt friedlich – trotz eines aggressiven jungen Manns, der einen Plakatträger attackiert
Grundsätzlich friedlich verläuft die Demonstration fast bis zum Ende gegen 18 Uhr. Szenenapplaus gibt es, als ein Fahrradfahrer und ein Polizist ein Auto aufhalten, das in die Schollenstraße einbiegen will, wo bereits die Demonstranten eingebogen sind.
Bis auf einen Augenblick: Ein junger Erwachsener bewegst sich plötzlich vom Rand der Demo aggressiv auf einen Teilnehmer zu, er schlägt ihm dessen Plakat aus der Hand: „Ich mache euch alle platt“, droht er dabei, sieht sich mit wirrem Blick und erhobenen Armen in der Menge um. Mancher glaubt gar, einen Hitlergruß des Angreifers erkannt zu haben. Der Spuk ist allerdings schnell vorbei. Die Klimabewegung lässt den aggressiven Mann einfach hinter sich.