Mülheim. Neuen Schwung holt die 2008 gegründete Initiative für Klimaschutz. Welche zentralen Themen sie für Mülheim vorantreiben will.
Mit neuem Schwung will die vor 13 Jahren gegründete Initiative für Klimaschutz die zentralen Themen für Mülheim anpacken: Energiewende, Verkehrswende, Innenstadtklima – und dabei der Stadt auf die Finger schauen. Kooperativ und freundlich – „die Ideenwolke muss Füße bis zum Boden bekommen“, sagt ihr Vorsitzender Bernhard Leidinger –, aber auch entschieden. Der Vorstand ist hochkarätig mit Experten aus Wissenschaft und Praxis besetzt und will den Verein nicht nur verwalten: Was aber will er erreichen? Und was kann er?
Bisher war die Initiative stark auf das ausgerichtet, was die Bürger, die Stadtgesellschaft privat und praktisch für das Klima machen können: Wie legt man Gärten mit heimischen Pflanzen an, wie vermeidet man Müll, welche Solaranlagen sind sinnvoll, wo kann man regional und nachhaltig einkaufen? Das soll grundsätzlich so bleiben.
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Trotz beschnittener Mittel will Leidinger aktiver werden und neue Projekte in Mülheim vorantreiben
Wenn auch die Initiative aus finanziellen Gründen Informations-Projekte wie das „Klimaforum“ nicht mehr so häufig wie vor Jahren noch betreiben kann. Denn die Stadt strich der Initiative im vergangenen Jahr die Mittel von rund 100.000 Euro und finanzierte damit zum Teil die neuen „Klimamanager“ im Umweltdezernat von Peter Vermeulen. Der Klimaschutz-Verein verlor damit seine Präsenz in der Stadt, Anlaufstelle und ihren Veranstaltungsort am Löhberg-Platz.
Die Stadt begründete, dass die Initiative von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen sei, sich selbst tragen zu müssen. Für Leidinger ist das allerdings ebenso von Anfang an eine Fehlkalkulation, gar eine „Beratungslüge“ gewesen. „Es konnte nicht funktionieren“, erläutert Leidinger, denn faktisch stehen der Initiative die Beiträge von 100 Mitgliedern (je 10 Euro Jahresbeitrag), die Spenden von wenigen Unternehmen sowie Mittel zur Verfügung, die durch geförderte Projekte akquiriert werden. Letztere gehen aber vollständig für die jeweilige Sache auf.
Spannungen mit der Stadtverwaltung behoben
Die Mittelstreichung sorgte für Spannungen zur Stadtverwaltung. Inzwischen aber seien diese abgebaut so wie die fehlenden „Jahresberichte“, die die Rechnungsprüfung beanstandet hatte, teilt Vorstandschef Bernhard Leidinger mit.
Solche Finanz-Berichte seien früher von der Stadt nie eingefordert worden, sondern ein Wirtschaftsprüfer hatte die ordnungsgemäßen Abrechnungen der Finanzmittel kontrolliert. Über die inhaltliche Arbeit habe man hingegen immer informiert.
Die Initiative blickt nun also nach vorne mit Experten wie Natalia Balcazar, die als Umwelt- und Energieeffizienzberaterin etwa an Schulen für Umweltfragen sensibilisiert. Mit dem einstigen Umweltamtsleiter Jürgen Zentgraf. Und nicht zuletzt Leidinger selbst, der Unternehmen in Fragen von Wind-, Wasser- und Kernkraft als auch Photovoltaik berät.
Zwei wichtige Handlungsfelder muss die Stadt angehen: Nummer eins – die Windenergie
Über Beratungen und Zertifizierungen in Energie- und Umweltbelangen könne die Initiative auch Mittel generieren, die ihren Projekten zugute kämen. Und nicht zuletzt mit Expertise darauf schauen, ob städtische Klima-Maßnahmen die gewünschten Ziele erreichen.
Wo aber sieht die Klimainitiative den Handlungsbedarf in Mülheim? Zwei zentrale Entwicklungen müsste die Stadt vorantreiben. Punkt eins: Energiewende. Mülheim müsste mehr Windkraft betreiben – „denn wir müssen verbrennungsärmer werden“, fordert Leidinger. 20 Windkrafträder in Mülheim wären gut, um die fossilen Energielieferer zu ersetzen, müssten es aber wohl 200 werden, kalkuliert der Energieexperte. Die müssen ja nicht in Mülheim selbst gebaut werden.
Auch Photovoltaik auf privaten Dächern könne eine Entlastung liefern, bestätigt Leidinger, in Mülheim seien die Möglichkeiten alles andere als ausgeschöpft. Wegen des Wirkungsgrades von 20 Prozent und der eingeschränkten Nutzbarkeit nur bei Sonne – Speicher sind weiterhin teuer – liefere aber Sonnenenergie für Mülheim gegenüber Wind einen deutlich geringeren Beitrag.
Handlungsfeld zwei – die Verkehrswende: Warum Lkw-Hubs und Car-Sharing Lösungen bieten
Punkt zwei: Verkehrswende. Hier könnte Mülheim einiges tun. Eine autofreie Innenstadt sieht Leidinger zwar skeptisch, denn Autonutzer wohnen auch hier. Aber den hoch umweltschädigenden Faktor „Parksuchverkehr“ und „Lkw-Verkehr“ könne die Stadt durch zwei Maßnahmen eindämmen. Zum einen können Lkw-Hubs – also Knotenpunkte – am Flughafen und Hafen dafür sorgen, dass die Stadt von dort etwa mit E-Fahrzeugen beliefert würde.
Den anderen Ansatz sieht Leidinger in Mobilitäts-Sharing-Systemen. Wenn man etwa das Auto nur für die benötigte Strecke mieten würde, entfiele die Parkplatzsuche und zum Teil auch die „Stellfläche“ vor der eigenen Haustür sowie – beim E-Auto – das Problem langer Ladezeiten für den Nutzer. All das erledigte der Anbieter. Ein weiterer Vorteil: Der hohe Anschaffungspreis für E- und Wasserstoff-Fahrzeuge entfiele – mehr Menschen könnten deshalb auf umweltschonendere Technologien umsteigen. Zukunftsmusik? Noch: Denn das Sharing müsste idealerweise wenigstens ruhrgebietsweit organisiert werden.