Mülheim. Trickbetrüger hatten Mülheim im Visier: Drei Seniorinnen glaubten den Schockanrufern. Ein echter Enkel berichtet, wie seine Oma betrogen wurde.

Tricktätern ist es am Donnerstag gelungen, eine 93-Jährige aus Mülheim mit einem Schockanruf um ihr gesamtes Erspartes zu bringen. Die alte Dame wurde so unter Druck gesetzt, dass sie eine fünfstellige Summe bei der Sparkasse abholte und das Geld dann einem völlig Fremden übergab. Der echte Enkel der betrogenen Frau berichtet, wie seine Großmutter zum Opfer des Enkeltricks wurde, wie perfide die Täter vorgegangen sind.

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Die Täter, das weiß die Polizei aus vielen leidvollen Fällen, sind mit allen Wassern gewaschen, geben sich am Telefon als Angehöriger in einer verzweifelten Lage aus, der dringend Bargeld braucht. Mal ist es ein Unfall, mal eine andere Notsituation. Im aktuellen Fall brauchte der Enkel angeblich dringend Geld, weil er beim Amtsgericht eine Eigentumswohnung anzahlen musste. Und das Geld müsste nun unbedingt innerhalb von zwei Stunden da sein.

„Die Ersparnisse der letzten 30 Jahre sind weg. Meine Oma ist völlig verzweifelt.“

„Am Donnerstagabend rief die Oma uns an und fragte, ob das mit dem Geld auch geklappt habe“, berichtet der 47-jährige Enkel. Er fiel aus allen Wolken, wusste natürlich von nichts. Mit seiner Frau eilte er sofort zu der 93-Jährigen und verständigte die Polizei. „Meine Oma“, so der 47-Jährige, „ist nun völlig verzweifelt.“ Es seien die Ersparnisse der letzten 30 Jahres gewesen. Nun ist alles weg.

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Die Großmutter stehe noch mit ihrer Adresse im Telefonbuch, so der Enkel, auch der Name des verstorbenen Großvaters sei dort noch zu finden. „Mit ich bin’s“, habe das fatale Telefongespräch am Donnerstagvormittag dann begonnen. Als die Oma den Namen des Enkels nannte, wusste der Anrufer ihn dann auch. Die Oma sei aber sehr wohl misstrauisch gewesen, habe auch Fragen gestellt, etwa nach dem Opa und ihrem Geburtstag, die der Anrufer geschickt beantwortet und sich so das Vertrauen erschlichen habe. Dann habe der Anrufer gesagt „Oma, willst du mir denn nicht helfen?“, berichtet der echte Enkel. Vorgegaukelt sei der Oma worden, er stehe schon im Amtsgericht, und gebe das Telefonat nun an eine Frau vom Amtsgericht weiter, die der alten Dame versicherte, es habe „alles schon seine Richtigkeit“.

Die Täter brachten die alte Dame dazu, mit dem Taxi in die Innenstadt zu fahren

Weil die Sparkassenfiliale im Stadtteil geschlossen hatte, brachten die Täter die 93-Jährige dazu, mit dem für sie bestellten Taxi in die Innenstadt zur Hauptstelle zu fahren. „Und das Taxi hat sie noch selbst bezahlt“, ist der 47-Jährige fassungslos. „Am Schalter hat sie dann das Geld abgeholt.“ Auf die Frage des Sparkassenmitarbeiters habe die Oma gesagt, sie wolle das Geld verschenken. Die Täter hatten der alten Frau auch ihre Handynummer entlockt, so dass sie sie anriefen, als die 93-Jährige mit dem Geld im Umschlag aus der Sparkasse kam. Zufällig sei ein „Gerichtsvollzieher“ in der Nähe, so die Täter, und dem sollte die Seniorin das Geld nahe der Wertgasse übergeben. „Und dann hat sie dem wildfremden Mann die 20.000 Euro gegeben“, sagt der Enkel, der nicht verstehen kann, warum die Oma ihn nicht angerufen hat. „Ein einziger Anruf hätte doch für Aufklärung gesorgt!“

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Doch am Telefon werde von den geschulten und geübten Tätern ein solcher Druck aufgebaut, so dass ein klares Nachdenken sehr erschwert wird, weiß die Polizei. Die Sparkassenmitarbeiter wissen das auch, denn sie werden darin geschult, solche Betrugsfälle zu erkennen und die Senioren möglicherweise aus dem „Tunnel“ zu holen, in den sie durch den hohen psychologischen Druck der Täter gebracht worden sind. So wollte ebenfalls am Donnerstag eine andere Mülheimer Seniorin (80) eine fünfstellige Summe bei der Sparkasse abholen, um sie einem „Staatsanwalt“ zu übergeben. Sie erlaubte aber, dass die Polizei gerufen werden konnte. Aber erst ein Anruf bei der Familie konnte die ältere Dame wirklich davon überzeugen, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt.

Tricktäter hatten Mülheim im Visier

Dreimal haben Tricktäter in Mülheim am Donnerstag nach Kenntnis der Polizei versucht, Seniorinnen mit dem Enkeltrick oder Schockanrufen um ihr Geld zu bringen. Einmal waren sie erfolgreich. Die 93-jährige Betrogene beschrieb den Mann, dem sie das Geld gab, als ca. 30 Jahre alt und 1,80 Meter groß mit korpulenter Figur. Er hat kurzes, dunkles Haar und trug ein helles T-Shirt und eine dunkle Hose.

Mit der Horrorgeschichte, ihr Stiefsohn habe einen tödlichen Unfall verursacht, wollten falsche Polizisten am selben Tag 45.000 Euro für eine Kaution ergaunern. Die 80-Jährige Frau ließ sich aber von einem Sparkassenangestellten davon abbringen.

Am Nachmittag wollten falsche Polizeibeamte, die angeblich aus Düsseldorf anriefen, dann eine 81-Jährige davon überzeugen, dass ihr Sohn einen Unfall verursacht hatte, bei dem eine Frau gestorben sei. 60.000 Euro forderten die Betrüger für seine Freilassung. Das Geld sollte sie zum Amtsgericht Mülheim bringen. Da dort schon geschlossen war, rief die Frau die echte Polizei über die 110 an. Erst als die Seniorin im Beisein der Streifenbeamten mit ihrem Sohn telefonierte, erkannte sie den Betrug.

Die Sparkasse hat ihre Mitarbeitenden geschult, Betrugsversuche zu erkennen

Das sei wohl auch in dem Fall der 93-Jährigen versucht worden, so Sparkassensprecherin Johanna Quast. „Das ist ein sehr sensibler Bereich. Wir haben viele Vorkehrungen getroffen, aber zu 100 Prozent können wir solche Fälle nicht ausschließen.“ Der Mitarbeiter an der Kasse habe auch entsprechende Fragen gestellt, doch „die Kundin wirkte schon sehr gut darauf vorbereitet“. Offenbar hatten die Täter da im Vorfeld sehr überzeugend gewirkt. Der Kassierer habe die Kundin noch auf den Umschlag hingewiesen, auf dem die Sparkasse vor solchen Betrugstaten warnt. Martin Weck, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Mülheim betont: „Unsere Mitarbeitenden werden regelmäßig und intensiv auf solche Situationen vorbereitet und gezielt geschult. Leider sind uns ab einem gewissen Punkt die Hände gebunden, denn der Kunde/die Kundin muss unsere Hilfe auch annehmen. Wir dürfen und wollen unsere Kunden nicht bevormunden.“

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Über solche Fälle oft in der Familie zu reden, das rät Polizeisprecher Marco Ueberbach, „Jeder Mensch, der einen solchen Schockanruf bekommt, dem bleibt ja erst einmal die Luft weg.“ Sich Hilfe zu holen, erst einmal die (echten) Angehörigen anzurufen, diesen Appell richtet Ueberbach an die Senioren. Ältere, die meist alleinstehend seien, müssten ja erst einmal realisieren, dass es sich um einen Betrug handeln könnte. Doch ganz allein gegen solche raffinierten Täter, die meist in Teams agierten und aus dem Ausland dirigiert würden, hätten Senioren selten eine Chance. Die Angehörigen der 93-Jährigen sind jedenfalls froh, dass der Großmutter wenigstens körperlich nichts passiert ist.