Betten schieben, Händchenhalten: 109 alte Menschen mussten das Mülheimer Franziskushaus verlassen. Bilanz einer besonderen Rettungsaktion.

Mit den Pflegebetten haben sie angefangen, morgens gegen 10 Uhr, als das Hochwasser schon vor den Eingang schwappte. Sie wurden ins Erdgeschoss gerollt, mit den liegenden Menschen. „Das ist das Wichtigste“, sagt Katja Grün, „falls nachher der Aufzug nicht mehr geht.“ Der Anruf der Feuerwehr, dass das Mülheimer Franziskushaus geräumt werden muss, kam etwa zwei Stunden später.

Erst Donnerstagabend verlässt der letzte Bewohner das Mülheimer Franziskushaus

Katja Grün ist Sprecherin der Contilia, die das Altenheim betreibt. Beim Hochwasser-Alarm war sie Helferin vor Ort. 109 alte Menschen, einige bettlägerig, mussten evakuiert werden. Wegen der Überschwemmung, und weil der Strom abgestellt wurde. Ein Kraftakt. Erst abends die Meldung: „Soeben hat der letzte Bewohner das Franziskushaus verlassen.“

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Alles sei glatt gegangen, „ein Evakuierungsplan half“. Und jede Menge Einsatzkräfte packten, schleppten, fuhren mit Krankenwagen vor: Feuerwehr, Hilfsorganisationen. Die Senioren konnten nur das Nötigste mitnehmen, berichtet Katja Grün. Etwas Kleidung, ein paar persönliche Dinge. „Eine Dame wollte unbedingt ihren Teddy mitnehmen, ein Geschenk ihrer Tochter.“ Reisetaschen wurden eilig gepackt, „teilweise auch einfach große Müllsäcke“. Jede Bewohnerin, jeder Bewohner bekam ein Bändchen ans Handgelenk: Name, Zimmernummer, Zielort.

Notlösung Innogy-Halle bleibt den alten Menschen erspart

Mehr als hundert alte Menschen wurden weiträumig verteilt, auf Contilia-Heime in Essen, Schwelm, Gevelsberg, die St. Marien-Hospitäler in Mülheim und Altenessen. Aber auch konkurrierende Altenheime in Mülheim nahmen Senioren auf, das städtische Haus Gracht und das evangelische Wohnstift Uhlenhorst. Notlösung wäre die Innogy-Halle gewesen, doch das bleibt den alten Leuten erspart.

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Die Pflegekräfte sind mit umgezogen. „Ganz wichtig“, meint Katja Grün, „sie betreuen die Menschen weiterhin.“ Wann alle wieder ins vertraute Franziskushaus ziehen können, ist noch offen. „Wir hoffen, dass wir in drei, vier Tagen zurückkehren können.“ Am Freitag wurden erst einmal die Angehörigen informiert, wo sie ihre Mutter oder ihren Opa jetzt finden.

Haus Ruhrgarten: „Zum Glück ist es nicht zum Äußersten gekommen“

Von den schmutzigen Fluten bedroht sind auch die Altenheime Haus Ruhrgarten und Haus Ruhrblick in Menden - wie der Name schon sagt, nah am Wasser gebaut, nur durch den schmalen Leinpfad vom Fluss getrennt. Dort ist man ebenfalls alarmiert und weiter auf eine Evakuierung vorbereitet. „Erst war die ansteigende Ruhr noch ein spannendes Schauspiel“, berichtet die Verwaltungsleiterin - dann wuchsen die Sorgen.

Aus der Notunterkunft ins Fliedner-Dorf

In der Nacht zu Freitag musste ein Altenheim der Fliedner-Stiftung in Bad Neuenahr evakuiert werden. Die 52 Bewohnerinnen und Bewohner kamen zunächst in Notunterkünfte.

Mit Bussen wurden sie später in andere Einrichtungen gebracht, einige wohnen jetzt bis auf Weiteres im Fliedner-Dorf in Mülheim-Selbeck.

Feuerwehrmänner haben Sandsäcke herbeigeschleppt, um die Terrassentüren abzudichten. Die Rampe an der Ruhrseite ist halb im Wasser versunken. Nach einer bangen Nacht sagt die Verwaltungsleiterin: „Zum Glück ist es nicht zum Äußersten gekommen.“ Das Team dankt vor allem der Mülheimer Feuerwehr, die immer sich immer wieder meldet. „Toll, wie die sich um uns gekümmert haben.“