Mülheim. Ein Mülheimer Pflegemodell zieht weite Kreise: Jetzt durfte Haus Ruhrgarten seine Arbeit im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorstellen.

Das Altenheim Haus Ruhrgarten hat alles richtig gemacht, wenn Bewohner wieder nach Hause zurückkehren können. Dort steckt man viel Mühe in Therapien. Das erfolgreiche Modell stand jetzt im Fokus einer Pressekonferenz in Berlin, bei der - neben viel Eigenwerbung, Zahlen und Fakten - auch dieser Satz fiel: „Mülheim an der Ruhr gilt doch als Beverly Hills des Ruhrgebiets.“ Wer sagt das?

Absolut überzeugt von seinem Konzept: Oskar Dierbach (66), Pflegedienstleiter im Mülheimer Altenheim Haus Ruhrgarten.
Absolut überzeugt von seinem Konzept: Oskar Dierbach (66), Pflegedienstleiter im Mülheimer Altenheim Haus Ruhrgarten. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Das Zitat stammt von Prof. Dr. Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP). Er will damit wohl ausdrücken, dass man hier in der Stadt vergleichsweise vornehm residiert. Tausende Gegenbeispiele ließen sich finden, aber auf das idyllisch am Fluss gelegene Haus Ruhrgarten trifft es wohl zu.

Therapeutische Pflege: „Geht das nur an so einem schönen Ort?“

Das dort federführend von Oskar Dierbach entwickelte Konzept der therapeutischen Pflege kann mit Zahlen überzeugen. Die DGGPP, so Prof. Rapp, möchte jetzt wissen: „Geht das nur, wenn man einen Pflegedienstleiter wie Herrn Dierbach hat und so ein schönes Heim an so einem schönen Ort?“ Der Ansatz soll bundesweit ausgerollt, in 20 Pflegeheimen stichprobenartig getestet und wissenschaftlich begleitet werden. Der Förderantrag sei schon gestellt.

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Im Haus Ruhrgarten, das von der Evangelischen Altenhilfe getragen wird, gilt ein Leitsatz, den Oskar Dierbach so formuliert: „Wer zu uns kommt, dem soll es besser gehen als vorher.“ Daran arbeitet ein Team aus verschiedenen Berufsgruppen. Eingangs, so Dierbach, habe sogar der Rat des Apothekers besondere Bedeutung: „Viele alte Menschen nehmen Medikamente, die an sich schon eine Körperverletzung darstellen.“ Hier versuche man zu reduzieren.

Sozialamt zahlt notfalls die Miete

Finanzielle Probleme drohen, wenn Senioren ins Haus Ruhrgarten ziehen und zugleich ihre eigenen Wohnungen über Monate behalten.

Hier verweist Pflegedienstleiter Oskar Dierbach auf ein „sehr gutes Vertrauensverhältnis“ zur Stadt Mülheim, zur Heimaufsicht, zum Sozialamt.

In der Praxis laufe es so: „Der Sozialhilfeträger springt ein und bezahlt die Miete, wenn zu vermuten ist, dass der Mensch wieder nach Hause kommt.“

Um Bewohner, die nach einem Sturz, Schlaganfall oder einer anderen Krankheit neu aufgenommen werden, kümmern sich neben dem Pflegepersonal auch verschiedene Therapeuten, teils mit alternativen Methoden außerhalb von Physio- oder Ergotherapie. Dieses Zusatzangebot, etwa durch eine Motopädin, werde bislang durch einen Förderverein ermöglicht, berichtet Dierbach bei der Präsentation in Berlin. Zugleich hat er mit den Kassen 7,5 zusätzliche Stellen in der Pflege ausgehandelt - „darum sind wir teurer als andere Heime“.

In den vergangenen fünf Jahren 238 Pflegeheimbewohner nach Hause entlassen

Über 113 stationäre Pflegeplätze verfügt Haus Ruhrgarten, und diese seien „gut nachgefragt“, berichtet der Chef. Eine Warteliste gebe es nicht, da meist ganz akut Hilfe gefordert ist. Das Konzept der therapeutischen Pflege wird dort seit einigen Jahren praktiziert, unterstützt von der AOK Rheinland/Hamburg. Oskar Dierbach blickt auf die vergangenen fünf Jahre zurück und fasst zusammen: „In 238 Fällen wurden die Bewohner lebend entlassen, 160 sind in dieser Zeit verstorben.“

Bewegungsübungen bei Bedarf nachts um halb zwei

Das Team versucht auch diejenigen wieder auf die Beine zu bringen, „deren Seele verletzt ist“, so Dierbach, die etwa an Depressionen leiden. „Viele von ihnen - längst nicht alle - können wir wieder zurück ins Leben holen.“ Er schildert den Fall von Gertrud W., die nach einer Hirnblutung ins Pflegeheim kam, deren massive Angststörung, verbunden mit hoch dosierten Beruhigungsmitteln, aber zunächst jede Therapie erschwerte. Als Frau W. endlich für Bewegungsübungen bereit war, dann bevorzugt nachts um halb zwei. „Da war sie hellwach.“ Dafür muss man erst einmal das richtige Personal haben.

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Punkten kann Haus Ruhrgarten mit nachweislich niedrigeren Kosten für Krankenhausaufenthalte und Arzneimittel. Das hat eine Erhebung der AOK Rheinland/Hamburg ergeben. Deren Vorstandsmitglied Matthias Mohrmann sagte bei der Präsentation in Berlin: „Schlechte Kosten werden vermieden. Man spart auch Geld, wenn jemand einen niedrigeren Pflegegrad bekommt.“ Bleibt der Konflikt der Zuständigkeiten und die Forderung an den Gesetzgeber: „Die Grenze zwischen Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Sozialhilfe muss abgebaut werden.“ Dieses Problem ist tatsächlich nicht in Mülheim zu lösen.