Diese Ausstellung ist trotz Corona möglich: Bei der Aktion „Kunst raus“ in Saarn stellen Mülheimer Künstler open air aus. Was es zu sehen gibt.
Mülheim. Junge Menschen sitzen dicht zusammen, unterhalten sich unbeschwert, lachen oder lächeln, umarmen sich. So könnte es sein – wenn nicht die Corona-Krise das Leben überschatten würde. Deshalb hat die Künstlerin Ursula Vehar auch eine Art Grauschleier vor die muntere Szene gemalt. „Die Leichtigkeit des Seins“, so der Titel ihres Bildes, erleben die Menschen derzeit leider kaum, sie ist auf unbestimmte Zeit „verschoben“.
Aktion „Kunst raus“ gibt es schon seit 1992 in Mülheim-Saarn
„Verschoben“ lautet in diesem Jahr auch der Titel der Aktion „Kunst raus“, die es schon seit 1992 in Saarn gibt. Zwölf Künstler haben Arbeiten zu diesem Thema geschaffen und stellen sie auf zwölf großen Schautafeln im Dorf vor. Die AG Mülheimer Künstler und die Kirchengemeinde Broich-Saarn laden Interessierte wieder dazu ein, von Station zu Station zu schlendern und die Kunstwerke anzuschauen. Die Outdoor-Präsentation ist eine der wenigen Ausstellungen, die überhaupt stattfinden können – auf die sonst übliche Vernissage muss allerdings verzichtet werden.
„Durch die Pandemie mussten und müssen so viele Kulturveranstaltungen verschoben werden. Die Frage ist, was das mit uns Menschen macht. Die Künstler haben sich damit auseinandergesetzt“, berichtet Pfarrer Christoph Pfeiffer. Ihre Antworten sind dabei unterschiedlich ausgefallen, verschiedenste Aspekte des Themas wurden aufgegriffen und mit diversen Techniken künstlerisch umgesetzt.
Sehnsucht nach neuem Erleben während der Corona-Beschränkungen
Mit dem Bild von Ursula Vehar, das vor der Dorfkirche an der Holunderstraße steht, kann man den Rundgang beginnen und die Düsseldorfer Straße hochlaufen bis zum Bovenaan. Unterwegs thematisiert ein Bild von Uwe Dieter Bleil den „verschobenen Urlaub“, es zeigt die Dolomiten unter einem schwarzen Himmel – und weist auf die Sehnsucht der Menschen nach neuem Erleben hin.
Eine Arbeit von Karin Dörre dagegen greift ein Thema auf, das in der Pandemie ein wenig in Vergessenheit geraten ist – die Erderwärmung, die wohl die voranschreitende Verschiebung der großen Ozeanströmungen nach sich zieht. Jan Homeyers Diptychon zeigt eine Frau am Strand und damit „eine in die Zukunft verschobene Möglichkeit, die in diesen Tagen fast surreal anmutet“. Anne-Maria Peters nimmt in ihrer Arbeit Bezug zum Standort ihrer Schautafel – dem Saarner Marktplatz. Sie fügt ein Wort in ein bekanntes Sprichwort zum Verschieben ein. „Was du dir heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Das ist Kunst mit einem Augenzwinkern.
„Irgendwann wieder Meer“
Was entdeckt man bei diesem interessanten Kunst-Spaziergang noch am Wegesrand? Helmut Koch hat das Warten thematisiert. „Ich wollte auf die Leidenszeit der alten und kranken Menschen hinwiesen, die auf ihre Lieben warten – und andererseits auf die Hoffnung der Kunstinteressierten auf die Öffnung der Museen und Ausstellungen“, sagt er. Die Aktualität hat auch Vanessa Hötger-Nogala im kreativen Prozess beeinflusst. „Normalerweise sind meine Bilder kritisch. Diesmal, in der Zeit von Enge, Angst, Langeweile und Trauer, habe ich eine Sehnsucht nach heiler Welt gespürt, nach Weite und Freiheit“, erklärt sie. Dieses Gefühl ist mit eingeflossen in ihre Landschaftsdarstellung „Irgendwann wieder Meer“.
Der Künstler Heiner Schmitz dokumentiert, was alles ausgefallen ist wegen der Pandemie, Imre Vidék spürt dem Rhythmus „Unterbrechung, Wiederanfang, Unterbrechung...“ nach, Joachim Poths stellt Bedrohung und Erlösung dar. Vorne an der Kölner Straße ist eine Fotografie von Peter Helmke zu sehen, der „bewusst nicht zu Corona gearbeitet“ hat. „Ich habe nach Alltäglichem geschaut, meine Aufnahme zeigt, wie sich ein Baum gegenüber einem Maschendrahtzaun seine Freiheit zurückerobert hat.“
Jeder Strich steht für einen Tag
Der Kunstrundgang könnte im Innenhof von Kloster Saarn mit einer Arbeit von Natalija Usakova enden, die sich ebenfalls auf das Warten bezieht. Auf schwarzem Hintergrund sieht man viele bunte Striche, in Fünfer-Päckchen geordnet. „Mittlerweile sind schon über 425 vergangen, seit ich meine Mama in Lettland das letzte Mal besucht habe. Wegen der Pandemie ging es nicht. Jeder Strich steht für einen Tag. Aber Ende Mai könnte es vielleicht wieder klappen“, hofft die Künstlerin.
Flyer, Katalog, Rundgänge
Die Ausstellung läuft vom 13. Mai bis zum 16. September. Mehrere Sponsoren haben sie ermöglicht.Ein Flyer mit einer Karte vom Dorf Saarn, in die die Standorte der Kunsttafeln eingetragen sind, ist in der Galerie Greens, Düsseldorfer Straße 15, sowie bei der Kirchengemeinde erhältlich. Ebenso ein Katalog zur Ausstellung (5 Euro).Geführte Rundgänge können momentan noch nicht stattfinden, man hofft jedoch, dass sie im Sommer wieder durchgeführt werden können.Pfarrer Pfeiffer wird in einem Video-Gottesdienst am Himmelfahrtstag über die Kunstwerke sprechen.